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Der dritte Mann Serbiens Präsident Milutinovic in Amt und Ausgedinge

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Von allen Umbrüchen, die Jugoslawien und Serbien in den ver-gangenen drei Monaten heimgesucht haben, ist nur ein Spitzen-politiker der Ära Slobodan Milosevic bisher verschont geblie-ben, der serbische Präsident Milan Milutinovic. Der 58-jährige Milutinovic wurde 1997 durch Volkswahl serbischer Präsident, ein Amt das ihm nach der serbischen Republiksverfassung de jure mehr Macht verleiht als dem jugoslawischen Präsidenten. So führt der serbische Präsident gemäß Artikel 88 der Repu-bliksverfassung „die bewaffneten Kräfte in Friedens- und Kriegszeiten sowie den Volkswiderstand im Kriege; ordnet die allgemeine und teilweise Mobilisierung an und organisiert die Vorbereitungen für die Verteidigung im Rahmen der Gesetze.“ Diese Bestimmung ist an sich ein Unding, denn Serbien verfügt über eine (Sonder-)Polizei, nicht aber über Streitkräfte. Ab-gerundet wird das Verfassungschaos in Jugoslawien noch da-durch, daß der serbische Präsident bei der Vereidigung schwört, die „Souveränität“ Serbiens zu achten, das doch Teil des jugoslawischen Bundesstaates ist.

Das Schicksal von Milan Milutinovic dürfte es sein, all seine vermeintlichen oder tatsächlichen Kompetenzen nie wirklich an-wenden zu können. Denn unter Slobodan Milosevic spielte Milu-tinovic stets nur die zweite oder dritte Geige, obwohl er der Delegation bei den Bonsien-Friedensverhandlungen in Dayton an-gehörte und Chefverhandler bei den gescheiterten Kosovo-Ge-sprächen in Rambuillet war. Auch künftig wird Milutinovic bei der Entwicklung Serbiens bestenfalls eine Nebenrolle spielen; denn seit der Parlamentswahl in Serbien am 23. Dezember ver-fügt das demokratische Parteienbündnis DOS über 176 der 250 Sitze und damit über die Zwei-Drittelmehrheit. Milutinovics Sozialisten haben 37 Mandate und damit acht Mal weniger Abge-ordnete als DOS. Der serbische Präsident könnte somit Reform-vorhaben der Allianz bestenfalls verzögern, nicht aber dauer-haft verhindern, denn er verfügt bei Gesetzesbeschlüssen nur über ein aufschiebendes Vetorecht.

Daß Milutinovic von diesem Vetorecht Gebrauch machen wird, ist eher unwahrscheinlich. Sein persönliches Interesse dürfte eher darin bestehen, so lange wie möglich im Amt zu bleiben, denn Milutinovic ist vom Hager Tribunal ebenso wie Milosevic als Kriegsverbrecher angeklagt, genießt aber als Präsident Ser-biens Immunität. Zugute kommt Milutinovic, daß nach der serbi-schen Verfassung seine Abberufung nur durch eine Art Volksab-stimmung möglich ist. Doch DOS und die Serben haben derzeit vordringlichere Aufgaben. Hinzu kommt, daß den beiden führen-den DOS-Politikern Vojislav Kostunica und Zoran Djindjic ein schwacher serbischer Präsident sicher weit „lieber“ ist als ein (dritter) DOS-Politiker in diesem Amt, der seine Voll-machten auch nützen möchte. Trotzdem könnte Milutinovic sein Schicksal vor dem offiziellen Ablauf seiner fünfjährigen Amts-zeit im Dezember des Jahres 2002 ereilen. Sollte die jugosla-wische Teilrepublik Montenegro bis zum Sommer 2001 über ein Referendum tatsächlich den Weg der Unabhängigkeit wählen, so wird dies auch die Ausarbeitung einer neuen serbischen Verfas-sung beschleunigen. In diesem Fall würde es zweifellos auch zu vorgezogenen Präsidentenwahlen in Serbien kommen. Der neue serbische Präsident wird jedoch dann voraussichtlich über weit weniger Kompetenzen verfügen, denn DOS will den Einfluß der Regierung stärken, so daß die neue serbische Verfassung kaum mehr Züge einer Präsidialverfassung tragen wird, wie das bis-her noch der Fall ist.

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