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Freie Wahl mit kleinen Hindernissen

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Das Dorf Novo Selo im Banat liegt etwa 50 Kilometer nord-östlich von Belgrad. Hell und schön bestrahlt die Wintersonne die Felder und die beiden Kirchen des Ortes. Etwa 8000 Serben wohnen in Novo Selo, knapp 6000 von ihnen sind bei der Wahl des serbischen Parlaments stimmberechtigt, für die insgesamt acht Parteien kandidiert haben. Eines der Wahllokale ist im Karate Klub des Dorfes untergebracht. Das Haus macht von außen einen äußerst renovierungsbedürftigen Eindruck. Der Putz bröckelt an der Außenseite und im unmittelbar nebenliegenden Gebäude fehlen die Fenster. Gekennzeichnet ist das Wahllokal durch die serbische Bezeichnung Biracko Mesto. Außerdem hängen an der Außenwand die Kandidatenlisten der acht wahlwerbenden Parteien sowie eine Plakat, das über den Ablauf der Wahl informiert.

Überprüft wird zunächst die Identität des Wählers; dann wird der Zeigefinger der rechten Hand mit einer Lampe kontrolliert, die auf einen speziellen Spray anspricht. Würde der Finger leuchten, wäre dies der Beweis dafür daß ein Bürger bereits gewählt hat. Denn nachdem der Wähler seinen Stimmzettel er-halten hat wird sein Zeigefinger mit einem Spray besprüht, der durch die besagte Lampe sichtbar gemacht werden kann. Kontrol-liert wird diese Prozedur von lokalen aber auch mehr als 300 internationalen Wahlbeobachtern der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Zu diesen OSZE-Beob-achtern zählen auch acht Österreicher. Zwei von ihnen, der freiheitliche Abgeordnete zum Nationalrat Anton Wattaul und der SPÖ-Abgeordnete Anton Heinzl überwachen auch den Karate-Klub von Novo Selo, in dem knapp 1700 Serben wahlberechtigt sind. Sie sind mit dem Wahlablauf zufrieden, obwohl die ge-samten Bedingungen zwangsläufig weit ärmlicher sind als in den serbischen Städten oder gar in Österreich.

Insgesamt 20 Wahllokale haben Wattaul und Heinzl am Wahltag in Serbien im Auftrag der OSZE besucht. Bereits vor dem endgülti-gen Bericht besteht kaum ein Zweifel. Dieser Ansicht ist auch die serbische Nichtregierungsorganisation Cesid, das „Zentrum für freie und demokratische Wahlen“. Mehr als 12.000 Wahlbe-obachter der Organisation Cesid durften zum ersten Mal Wahlen in Serbien offiziell und ungehindert überwachen. Sie haben alle 8700 Wahllokale abgedeckt. Trotz der grundsätzlichen Zu-friedenheit mit dem Ablauf der Wahl listet Cesid auch einige Unregelmäßigkeiten auf, die auf die besondere Lage Serbiens zurückzuführen sind. So wurde in der südserbischen Gemeinde Presevo ein Wahllokal geöffnet aber auch gleich wieder ge-schlossen, weil es in dem Gebäude weder Fenster noch Türen gab; eine verständliche Reaktion angesichts der winterlichen Temperaturen. In einigen Wahllokalen Südserbiens gab es keinen Strom, so daß Parteienvertreter Kerzen kaufen mußten, um die Abwicklung der Wahl zu gewährleisten. Feuchtfröhlich ging es wiederum südserbischen Bujanovac zu; dort war ein Wahllokal in einem Geschäft untergebracht, das in Betrieb war und auch Alkohol ausschenkte. Als Wahlzelle diente der Ladentisch.

Weniger friedlich ging es zunächst im Ort Grazevac zu; dort konnte ein Wahllokal zunächst nicht geöffnet werden, weil die Bürger den Zugang blockierten. Sie protestierten damit gegen die nicht erfolgte Einleitung von Telefonen durch die serbi-sche Post. Schließlich konnte die Wahl jedoch durchgeführt werden. Unterbrochen werden mußte dagegen die Wahl in Gebiet von Vranje; dort kam es in zwei Wahllokalen zu Handgreiflich-keiten zwischen Parteienvertretern der Sozialisten und der Radikalen sowie Mitgliedern der Sozialisten und der Allianz DOS. Mit Problemen anderer Art zu kämpfen hat der jugoslawi-sche Präsident Vojislav Kostunica in Belgrad. Denn das Gedrän-ge der Journalisten war so groß, daß sich Kostunica und dessen Frau nur mühsam den Weg zur Stimmabgabe bahnen konnten. Besser organisiert war das mediale Aufgebot bei der Stimmabgabe von DOS-Spitzenkandidat Zoran Djindjic, während das mediale Inter-esse an der Stimmabgabe von Slobodan Milosevic sichtlich nach-gelassen hat.

Deutlich niedriger als bei der Wahl am 24. September dürfte bei der Parlamentswahl in Serbien auch die Wahlbeteiligung sein. Nach Angaben der Gruppe Cesid hatten am Wahltag bis 16 Uhr etwa 40 Prozent der serbischen Wähler ihre Stimme abge-geben. Die zu erwartende geringere Wahlbeteiligung wird sich möglicherweise vor allem auf die Fünf-Prozent-Hürde auswirken, die für einen Einzug ins Parlament zu überwinden ist. Denn je geringer die Wahlbeteiligung, desto geringer wird auch die Zahl der Stimmen, die für das Überspringen dieser Hürde zu er-reichen ist. In welchem Ausmaß dieser Umstand den Sieg der Allianz DOS und das Abschneiden der Sozialisten und der Serbi-schen Radikalen beeinflußt, wird vor allem davon abhängen, welche Wähler zu Hause geblieben sind; die der Allianz DOS aus Siegesgewißheit, oder die Wähler der beiden anderen Parteien aus Enttäuschung über das Stehvermögen von Milosevic und Seselj, oder potentielle Wähler der anderen fünf Kleinpar-teien, weil sie ihrer Gruppierung ohnehin keine Chance einge-räumt haben.

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