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Südserbien

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In Südserbien ist es nach Monaten relativer Ruhe in den vergangenen Tagen wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen albanischen Freischärlern und der serbischen Polizei gekommen. Bei diesen Gefechten in der entmilitarisierten Pufferzone zum Kosovo sind jüngst vier serbische Polizisten getötet worden. Die Auseinandersetzungen haben neuerlich dazu geführt, daß hunderte Albaner und Serben aus dem Grenzgebiet geflohen sind. Dabei fuhr ein Traktor auf eine Panzermine auf. Ein zehnjährger albanischer Bub wurde getötet, weitere zwei Kinder wurden verletzt. Die serbische Polizei und die jugos-lawischen Streitkräfte haben ihre Präsenz in Südserbien verstärkt.

In dem Grenzgebiet zwischen Kosovo und Mazedonien leben zwischen 70.000 und 100.000 Albaner. Die meisten von ihnen wohnen in den Städten Presevo, Medvedja und Bujanovac. Dort machte Anfang März dieses Jahres zum ersten Mal eine so-genannte albanische „Befreiungsarmee von Presevo, Medvedja und Bujanovac“, abgekürzt UCK-PMB mit Überfällen auf serbische Polizeistationen auf sich aufmerksam. Der Name der Freischär-ler lehnt sich bewußt an die frühere albanische Untergrundbe-gwegung UCK an; denn diese Gruppe in Südserbien soll sich zum Teil aus ehemaligen UCK-Kämpfern sowie aus lokalen Albanern rekrutieren. Die serbischen Angaben über die Stärke der UCK-PMB reichen von 400 bis 1000 Mann. Unterschiedlich sind auch die Angaben über die Ziele der Freischärler; so heißt es ein Mal, die UCK-PMB kämpfe für den Anschluß des Presevo-Tales an Südserbien; möglich ist aber auch, daß die Albaner einen Gebietstausch zwischen der geteilten Stadt Kosovska Motrovica und Südserbien anstreben.

Der Konflikt in Südserbien hat drei Wurzeln: den albanischen Nationalismus, die langjährige politische und wirtschaftliche Diskriminierung der Albaner sowie die allgemeine katstrophale Wirtschaftslage, die die Albaner als Minderheit wiederum stär-ker trifft. So sollen bis zu 90 Prozent der Albaner Südser-biens arbeitslos sein. Hinzu kommt,daß sie in der Gemeindever-waltung und in öffentlichen Ämtern in der Region klar unter-repräsentiert Verschärft werden die Spannungen dadurch, daß in dem Gebiet auch vertriebene Serben aus dem Kosovo leben.

Das Aufmarschgebiet der albanischen Freischärler liegt in der fünf Kilometer breiten Sicherheitszone zwischen dem Kosovo und Südserbien. Nach dem militär-technischen Abkommen von Kumanovo vom 9. Juni 1999, darf sich in dem Grenzgebiet nur lokale ser-bische Polizei aufhalten. Sie darf keine schweren Waffen besitzen; allerdings verfügt die Polizei in der Region über Maschinengewehr und Granatwerfer. Den jugoslawischen Streit-kräften ist der Zutritt untersagt; denn die Überwachung es Gebiets obliegt der Friedenstruppe KFOR. Diese Aufgabe ist nur sehr schwer lösbar, denn das Grenzgebiet ist dicht bewaldet und hügelig und somit eine fast ideales Aufmarschgebiet für Freischärler.

Warum die albanischen Freischärler ausgerechnet einen Monat vor der serbischen Parlamentswahl wieder aktiv geworden sind, ist unklar. Klar ist jedoch, daß die jugoslawische und die serbische Seite diese Angriffe auch für außen- und innenpoli-tische Zwecke zu nützen gedenkt. Denn unter dem Hinweis, daß die KFOR nicht in der Lage sei, den Schutz der südserbischen Bwevölkerung zu gewährleisten fordert Präsident Vojislav Kostunica bereits eine Änderung des Kumanovo-Abkommens und eine Rückkehr der jugoslawischen Streitkräfte ins Grenzgebiet.

Kostunica bemüht darüber hinaus auch um eine politische Lösung der Krise. Denn die internationale Staatengemeinschaft hat zwar Verständnis für den Kampf gegen den Terrorismus, beharrt aber auf der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel. Die Verletzung dieses Grundsatzes durch Slobodan Milosevic im Kosovo führte letztlich zum Krieg; abgesehen davon kann es sich Jugoslawien zum jetzigen Zeitpunkt noch weniger leisten, sein jüngst gewonnenes internationales Prestige wieder aufs Spiel zu setzen.

Kostunica war gestern in Bujanovac. Zu seiner Begleitung ge-hörten Generalstabschef Nebojsa Pavkovic und der serbische Geheimdienstchef Rade Markovic. Markovic gehörte ebenso wie Pavkovic zu den engsten Gefolghsleuten von Slobodan Milosevic; doch während Pavkovic durch seine Neutralität während der Oktober-Revolution etwas aus dem Schußfeld geriet, traf dies für Markovic nicht zu. Daher hatte die regierende Allianz DOS wochenlang Markovics Rücktritt gefordert und sogar eine Krise der serbischen Übergangsregierung in Kauf genommen. Die Forde-rung blieb allerdings unerfüllt, denn Markovic wurde nicht nur von den Milosevic-Sozialisten, sondern auch von Kostunica ge-halten. Möglicherweise wurde Markovic sogar auf dessen Inter-vention - jüngst von der EU-Liste der unerwünschten Ausländer gestrichen. Mit Beginn der Krise in Südserbien sind jedenfalls die Rücktrittsforderungen schlagartig verstummt. Hinzu kommt, daß Polizei und Streitkräfte nun ein öffentlichkeitswirksames Argument vorweisen können, um drohende Budgetkürzungen abzu-wehren. Auszunutzen versucht die Lage natürlich auch Slobodan Milosevic und den Serbischen Radikalen, die der Allianz DOS vorwerfen, nicht genug für die „Verteidigung der heiligen serbischen Erde“ zu tun. Daher waren in den vergangenen Tagen auch fast alle Spitzenpolitiker der neuen Führung in Südser-bien, wobei das staatliche Fernsehen ausführlich berichtete. Praktisch nicht zu Wort kamen die Vertreter der lokalen Al-baner. Sie haben die Wahlen im September ebenso boykottiert wie die Kosovo-Albaner und sind daher in den Gemeinderäten nicht vertreten. Dies war ein gravierender Fehler, denn er läßt die Serben nicht zu Unrecht an der Loyalität dieser Be-völkerung zweifeln. Bezahlt wird die Zeche jedenfalls insge-samt wieder von der Zivlbevölkerung. Wegen der Spannungen sollen bereits mehrere tausend Zivilisten aus dem Grenzgebiet in den Kosovo sowie ins innere Serbiens geflohen sein. Sollte es nicht zu einer friedlichen Lösung und vor allem zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage kommen, könnten nicht nur die Spannungen, sondern auch die vor allem albanische Abwanderung aus dem Gebiet anhalten.
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