„Auf zum letzten Gefecht“ Milosevic bleibt Parteichef
Zeitung
Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Daß nicht nur die Welt, sondern auch die Masse der Serben und viele ehemaligen Anhänger von „Slobo“ genug haben, zeigte der fünfte außerordentliche Parteitag der serbischen Sozialisten, der gestern wiederum im Sava Centra stattfand. Die Schar der Anhänger vor dem Gebäude wurde fast durch die anwesende Schar der Journalisten übertroffen, die Milosevic auch weit stärker bedrängten, von dessen Leibwächtern jedoch in Schach gehalten wurden. Starker Applaus brandete erst im Kongreßzentrum selbst auf, im dem sich knapp 2400 Delegierte der SPS, der Soziali-stischen Partei Serbiens versammelt haben. Etwa 85 Prozent von ihnen haben Milosevic weiter die Treue gehalten und ihn als Parteichef wieder bestätigt. Damit ist der Versuch der Refor-mer, „Slobo“ abzulösen endgültig gescheitert. Dieses Scheitern zeichnete sich bereits bei der Vorbereitung des Kongresses ab. So führte Milosevic nach einer gewissen Schwächeperiode nach seinem Sturz wieder Regie, ein Umstand der auch aus den Doku-menten ablesbar ist, die dem Parteitag vorliegen. So sind für die Wahlniederlage der Sozialisten „Druck von außen und innen, namentlich im medialen, wirtschaftlichen und militärischen Bereich“ sowie „ständige brutale Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes“ verantwortlich.
Als große Chance bezeichnet das von Milosevic redigierte Doku-ment die vorgezogene Parlamentswahl in Serbien am 23 Dezember, denn: „Anstatt einer Wende zum Besseren, die die Bürger erwar-teten, haben sich die Lebensbedingungen verschlechtert, wäh-rend das Land auf einen Koloniestatus reduziert worden ist.“ Da sich Milosevic „auf jeden Fall“ am 23. Dezember einen Wahl-sieg erwartet, sah er offensichtlich auch keinen Grund, seine Wortwahl wieder zu ändern. Nachdem er am sechsten Oktober seine Wahlniederlage sogar im Fernsehen eingestanden und Vojislav Kostunica zu dessen Sieg gratuliert hatte, sprach er nun am Parteitag von einem „Putsch“, der am fünften Oktober stattgefunden habe. Seine Nachfolger an der Staatsspitze be-zeichnete Milosevic als „Verräter und westliche Spione“; der Krieg gegen das Land werde nun mit Geld weiter geführt, die Medien seien in den Händen ausländischer Geheimdienste.
Die Delegierten applaudierten fleißig und sind offenbar bereit, ihren wiedergewählten Parteivorsitzenden in die poli-tische Bedeutungslosigkeit zu folgen. Denn nach Meinungsum-fragen liegen die Sozialisten, die bisher zweitstärkste Kraft in Serbien waren, nur mehr bei zehn Prozent. Einige Veteranen der Partei haben daraus die Konsequenzen gezogen, sind ausge-treten und haben zwei neue Parteien gegründet, die an der fünf Prozenthürde aber scheitern dürften.
Keine Ende in Sicht ist in Serbien beim Rätselraten über den Aufenthaltsort von Milosevic. Nach Medienberichten soll er gut bewacht weiterhin in seiner offiziellen Residenz im Belgrader Villenviertel Dedinje wohnen. Für seine Sicherheit sollen ge-mischte Sonderpolizei- und Militäreinheiten sorgen. Für Auf-regung sorgten Mitte November Bauarbeiten an Milosevics Privatvilla. Zunächst hieß es, „Slobo“ wolle sich nur einen Wintergarten zulegen; doch dann stellte sich heraus, daß die 250 Quadratmeter große Villa um 350 Quadratmeter erweitert werden soll. Eine vor geraumer Zeit ausgestellte Baugeneh-migung band den Behörden die Hände. Wie lange sich Milosevic in Serbien in Sicherheit wähnen darf, hängt vor allem von der Geduld der internationalen Staatengemeinschaft ab. Soll das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag weiter glaubwürdig bleiben, wird nach der Wahl am 23. Dezember wohl der Druck auf Präsident Kostunica erhöht werden müssen, damit Klarheit über die Zukunft Milosevics und über die weitere Haltung Kostunicas geschaffen werden kann.