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Präsidentenwahl in Serbien Machtkampf Kostunica-Djindjic mit anderen Mitteln

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In Serbien, der größeren der beiden jugoslawischen Teilrepubliken, wird am Sonntag ein neuer Präsident gewählt. Zum ersten Wahlgang antreten werden 11 Kandidaten. Zu dieser Gruppe zählen der amtierende jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica, sein schärfster Konkurrent Miroljub Labus, Ökonom und stellvertretende jugoslawische Regierungschef, mehrere nationale und national-istische Politiker, ein Schauspieler, der ehemalige Generalstabschef Nebojsa Pavkovic und zwei der Öffentlichkeit praktisch unbekannte Personen.

Sie alle haben bei der Wahlkommission mindestens 10.000 Unterschriften ein-gereicht. Bereits um die Gültigkeit der Unterschriften einiger Kandidaten gab es im Wahlkampf Auseinandersetzungen. So behaupten die DSS, die Partei von Vojislav Kostunica, sowie die Radikalen von Vojislav Seselj, im Falle zweier Kandidaten seien nicht genügend gültige Unterschriften zum Stichtag vorge-legen. Teilweise stimmt die Darstellung, trotzdem hat die Wahlkommission das Antreten dieser Kandidaten ermöglicht. „Zufälligerweise“ sind das zwei Politi-ker, deren Wählerpotential im Zweifelsfalle Vojislav Kostunica und nicht Miroljub Labus zufallen würde, der vom serbischen Minsterpräsidenten Zoran Djindjic unterstützt wird. Am umstrittensten war dabei die Kandidatur von Nebojsa Pavkovic; er wurde vor einigen Monaten von Kostunica als General-stabschef entlassen. Serbische Medien behaupten, daß Djindjics Partei die Unterschriften für das Antreten von General Pavkovic gesammelt hat. Sein Wählerpotential beziffert der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic auf 1,5 Prozent. Doch der Abstand zwischen Labus (29,5 Prozent) und Kostunica (27,4 Prozent) ist derart gering, daß jede Stimme zählt. Weit mehr zu lasten Kostunicas geht das Antreten von Vojislav Seselj und Borislav Pelevic. Seselj führt die Radikale Partei, Pelevic die Partei der Serbischen Eintracht, die der erschossene Milizenführer Arkan gegründet hat. Ihr Wählerpotential liegt bei insgesamt 16 Prozent. Zu berücksichtigen sind noch jene beide Kandidaten, die für die gespaltene Sozialistische Partei von Slobodan Milosevic ins Rennen gehen. Ihre Anhängerschaft wird auf insgesamt 6 Prozent geschätzt. Die Mehr-zahl der Stimmen aller oppositionellen Kandidaten würde in einem allfälligen zweiten Wahlgang für Kostunica mobilisierbar sein.

Der von der serbischen Regierung unterstützte Miroljub Labus hätte somit in einem zweiten Wahlgang keine Chance. Daher ist Labus bestrebt, bereits im ersten Durchgang zu gewinnen, in dem das mögliche Wählerpotential von Kostunica gespalten ist. Hinzu kommt, daß etwa 50 Prozent der Wähler, die für Kostunica stimmen wollen, als zweite Wahl Miroljub Labus angeben. Diese Wähler versucht nun Labus für sich zu gewinnen er hat daher in der Endphase der Kampagne Kostunica direkt angegriffen. Hinzu kommen viele Plakate und Spots, die gegen Kostunica gerichtet sind und jüngere Wähler zum Urnengang animieren sollen. Auch der finanzielle Einsatz der Gruppe um Labus ist hoch, obwohl genaue Angaben nicht zu erhalten sind. Die Kosten für eine Werbese-kunde im staatlichen Fernsehen vor den Hauptabendnachrichten wird auf etwa 80 Euro geschätzt; das entspricht der Hälfte des durchschnittlichen Nettolohns eines Serben im August. Für den Sieg im ersten Wahlgang muß Labus 50 Pro-zent plus eine Stimme aller abgegebenen Stimmen erreichen. Meinungsforscher halten das für nicht völlig ausgeschlossen; diese Frage wird auch von der Wahl-beteiligung abhängen, die auf etwas mehr als 60 Prozent geschätzt wird. Wahl-berechtigt sind etwa 6,55 Millionen Serben. Gehen knapp 4 Millionen zu den Urnen, so müßte Labus etwa 2 Millionen Stimmen bekommen, um im ersten Durchgang zu siegen. Doch seine jüngere, besser ausgebildete Anhängerschaft ist weit weniger diszipliniert als die Wähler der anderen Kandidaten.

Von den politischen Themen her, bot der Wahlkampf nur recht wenig Neues.

Miroljub Labus verwies auf seine Verdienste und betonte stets, nur unter seiner Führung werde Serbien „rasch“ der EU beitreten können. Labus warb für die Fortsetzung des Reformkurses, der unter den Serben immer mehr auf Skepsis stößt, denn alles wird teurer und im täglichen Leben heißt es den Gürtel enger schnallen. Labus ist mit dem Manko behaftet, daß er mit dem unbeliebten Zoran Djindjic verbunden wird und außerdem eine schlechte Wahlkampagne führte, die die weitgehend ländliche Wählerschaft Serbiens kaum ansprach. Vojislav Kostunica wiederum ist zwar auch kein begnadeter Wahlkämpfer, doch er zehrt noch von seinem Nimbus und seine Kritik an der schlechten sozialen Lage, an den Fehlern bei den Reformen, entspricht eher der Grundstimmung. Verschwie-gen hat Kostunica, daß auch er bei der Reform der Streitkräfte etwa, nur wenig Greifbares vorzuweisen hat.

Gemeinsam ist allen oppositionellen Kandidaten, daß sie rasche, vorgezogene Neuwahlen in Serbien fordern. Gemeinsam ist allen Kandidaten, daß sie ihren Wählern nicht sagen, daß sie als serbischer Präsident ihre Versprechen kaum werden einlösen können. Denn der Präsident hat kaum Kompetenzen; trotzdem ist der Einsatz hoch, denn der Wahlkampf ist Teil des politischen Machtkampfs und eine Niederlage würde vor allem für Kostunica wohl das Ende seiner politi-schen Karriere bedeuten. Bedeutsam ist die Wahl aber auch, weil Labus und Kostunica bei der Kompromißlosigkeit und der Geschwindigkeit der Reformen unterschiedliche Prioritäten setzen; das gilt auch für die Aufarbeitung der Ära Milosevic, die in Serbien praktisch noch nicht begonnen hat. Diese unterschied-liche Einstellung hat natürlich – unabhängig von der tatsächlichen Machtfülle – Auswirkungen auf die politische Lage im Land.

Verliert Labus, kommt noch erschwerend hinzu, daß der Machtkampf zwischen Kostunica und Djindjic, der ebenfalls zu demokratisch zweifelhaften Mitteln gegriffen hat, die Reformen in Serbien noch stärker blockieren wird als bisher. Zu berücksichtigen ist auch, daß ein Sieg von Kostunica im zweiten Wahlgang nur gültig ist, wenn mehr als 50 Prozent aller Wähler zu den Urnen gehen. Ob das Quorum erreicht wird, bleibt abzuwarten. Wird es verfehlt, so muß die ge-samte Präsidentenwahl wiederholt werden. Zu bewältigen hat Serbien jedoch nicht nur die Wahl sowie massive wirtschaftliche und soziale Probleme, sondern auch die Umwandlung Jugoslawiens in die „Union Serbien und Montenegro“. Die dazu erforderliche neue Verfassung ist fast fertig und die Wahl des neuen „Bundesparlaments“ dürfte zu Beginn des nächsten Jahres ins Haus stehen. Wahlen sind stets ein Bremsklotz für Reformen. Daher wird Belgrad auch unab-hängig vom Ausgang der Präsidentenwahl beträchtliche Anstrengungen unter-nehmen müssen, damit die Stabilisierung Serbiens und der Weg nach Europa nicht noch länger dauern als das ohnehin bereits der Fall ist.

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