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Milosevic als Punktesieger

Zeitung
Kleine Zeitung
Berichte Serbien
„Milosevic – Haag eins zu null“, so titelte die serbische Tageszeitung „national“ nachdem Milosevic vor dem Haager Tribunal den ersten albanischen Zeugen der Anklage ins Kreuz-verhör genommen hatte. Daß diese Einschätzung auch unter den Serben vorherrscht und das Interesse am Prozeß in Den Haag bisher sehr groß ist, bestätigen Umfragen des angesehenen Belgrader Meinungsforschungsinstitutes SMMRI. Das Institut hat 512 Serben über 18 Jahre befragt. Der Prozeß gegen Milosevic begann am Dienstag, den 12. Februar. Bereits den dritten Prozeßtag, jenen Tag, an dem Milosevic mit seiner Eröffnungsrede begann, verfolgten 50 Prozent der Serben. Am Freitag, den 15. Februar saßen sogar knapp Zweidrittel der Bürger vor dem Fernseher, um Milosevics Erwiderung zu sehen. Dem Angeklagten kam dabei zugute, daß der Freitag ein serbischer Feiertag war. Beachtlich ist auch die Verweildauer. 40 Prozent verfolgten bis zu 30 Minuten der Verhandlung und jeweils etwa 20 Prozent saßen zwischen einer und zwei Stunden oder sogar mehr als zwei Stunden vor dem Fernseher. Ins-gesamt verfolgten etwa 60 Prozent der Serben die erste Verhandlungswoche. Zweidrittel von ihnen, als0 40 Prozent der gesamten Bevölkerung gaben Milosevic die Höchstnote fünf; weniger als 20 Prozent bewerteten Milosevic als schlecht. Noch nicht festgelegt haben sich die Serben, welche Folgen der Prozeß für ihr Land haben wird. Keine eindeutigen Mehrheiten bestehen auch in der Frage, ob Milosevic in Den Haag seine Verbrechen auf das serbische Volk abwälzen will oder ganz Serbien verteidigt; letztere These neigt eine relative Mehrheit zu. Klar sind die Mehrheitsverhältnisse jedoch, was die Einstellung zum Haager Tribunal betrifft. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstitutes SMMRI betrachten etwa 70 Prozent der Bürger das Haager Tribunal bereits über einen langen Zeitraum als parteiisch und als antiserbisches Gericht. Doch gleichzeitig denkt eine große Mehrheit, daß Zusammenarbeit mit den Haag sein muß. Begründet wird diese Kooperation nicht mit Kriegsverbrechen und dem Willen zur Wahrheit, sondern mit der Tatsache, daß das Haager Tribunal die Eintritts-karte für die Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt ist. Das regierende Reformbündnis DOS ist bestrebt, Kommentaren zum Prozeß ehe auszuweichen. Denn es weiß, daß Milosevics Verhalten bei der Bevölkerung gut ankommt, gleichzeitig will man sich damit jedoch nicht identifizieren. Bestrebt ist die Allianz, bis März das überfällige Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Tribunal zu verabschieden. Ob die unterschiedlichen Positionen bis dahin auf einen Nenner gebracht werden können ist noch nicht sicher. Weitere Auslieferungen dürften jedoch sicher sein, denn Ende März wird der US-Kongreß wiederum die Kooperation Belgrad – Den Haag unter die Lupe nehmen; und von dieser Bewertung hängt die weitere Finanzhilfe der USA ab.
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