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Lage der Bevölkerung in Serbien

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Berichte Serbien
Das medizinische und mediale Rennen um das erste Klon-Baby der Welt hat im zum Jahres-wechsel auch Serbien erfaßt. Nach der Behauptung der amerikanischen Raelianer-Sekte, das erste derartige Baby mit Namen Eva sei geboren, meldete sich bei einem Kongreß in Belgrad der italienische Fortplanzungsmediziner Severino Antinori zu Wort. Antinori gab an, er be-treue drei schwangere Frauen, darunter angeblich auch eine Serbin, die ein Klon-Baby aus-tragen würden. Einen Geburtstermin nannte er nicht und ebenso wie die Raelianer-Sekte blieb auch Antinori einen Beweis für seine Behauptungen schuldig. Trotzdem titelte das serbische Wochenmagazin „NIN“ : „Das neue Menschengeschlecht, Severino Antinori auf dem Weg nach Belgrad“. Auf den Wust an medialen Spekulationen reagierte auch das Gesundheits-ministerium und verbot per Verordnung das Klonen von Menschen, bis das Parlament ein entsprechendes Gesetz verabschiedet haben wird.

Zwar ist Antinori bisher in Belgrad nicht wieder aufgetaucht, dafür wurden erste aussage-kräftige Daten der jüngsten Volkszählung veröffentlicht. Das veranlaßte das Magazin „Reporter“ zur Titelgeschichte: „Serbien, ein Land ohne Nachkommen“; denn Serbien leidet an massiver Überalterung und Geburtenschwund. In den vergangenen 10 Jahren wanderten 400.000 Bürger aus; daß die Bevölkerung mit 7,5 Millionen gegenüber 1991 trotzdem nur geringfügig zurückging, liegt am Zustrom von 580.000 Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus dem Kosovo. Mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren liegt Serbien in der weltweiten Altersstatistik etwa auf Platz 10. Jeder vierte Bürger ist bereits älter als 65 Jahre, ein Umstand, der sich in den kommenden 10 Jahren massiv auf Gesundheitswesen, Arbeitsmarkt und Sozialsystem auswirken wird, denn die Tendenz ist steigend. Gesunken sind dagegen die Geburten; sie waren zwischen 1991 und 2002 um 170.000 geringer als die Zahl der Todesfälle. Diese Zahlen spiegeln die umfassende Krise der Gesellschaft in der Ära Milosevic wider, wobei nun noch die Opfer hinzukommen, die die Reformpolitik fordert.

Hoch ist gleichzeitig auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Zwar fehlen genaue Statistiken doch schätzt Mirjana Rasevic vom Institut für Demographie die Zahl der Ab-treibungen auf 200.000 pro Jahr. Das bedeuten, daß 150.000 Frauen bereits zum zweiten Mal oder öfter pro Jahr abtreiben und daß jede 10. Frau im gebärfähigen Alter jedes Jahr eine Schwangerschaftsabbruch durchführt. Der gemeinsame Faktor der hohen Zahl an Abtrei-bungen in allen ehemals sozialistischen Ländern liegt darin, daß die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruches Mitte der 50iger Jahre erfolgte als es noch keine Antibabypille oder Spirale gab. So wurde die Abtreibung für die Frauen ein Mittel zur Geburtenkontrolle.

Im Gegenzug sind moderne Methoden der Empfängnisverhütung sind in Serbien nicht sehr verbreitet. Nach einer Studie, die das UNO-Kinderhilfswerks UNICEF vergangenen August veröffentlichte, verwenden 60 Prozent der 15 bis 19-jährigen und 45 Prozent der 20 bis 24-jährigen Serben überhaupt keine Verhütungsmittel. Auch das Wissen über Aids ist gering. Weniger als ein Viertel dieser beiden Altersgruppen gab an, ausreichend über Aids informiert zu sein. Grund dafür ist das Fehlen von Aufklärungsunterricht in den Schulen sowie der Um-stand, daß Sex als Thema auch im Elternhaus noch weitgehend ein Tabu ist.

Die serbische Regierung versucht die Lage durch mehrere Maßnahmen zu ändern. In den Ge-sundheitszentren in den Bezirken soll in Zusammenarbeit mit UNICEF den Jugendlichen eine umfassende Beratung angeboten werden. Überlegt wird auch, in den Schulen einen Gegen-stand Gesundheitserziehung einzuführen. Zur Unterstützung der Familien hat die Regierung ein Kindergeld eingeführt. 1000 Euro werden für das zweite, 1500 für das dritte und 2000 Euro für das vierte Kind bezahlt. Doch Kinder sind eine lebenslange Investitition und ein Schwangerschaftsabbruch kosten in Serbien 150 Euro. Daher dürfte sich die Zahl der Ge-burten in Serbien solange nicht stabilisieren, bis die wirtschatliche und soziale Lage der Bevölkerung nicht deutlich besser geworden ist.
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