× Logo Mobil

Wahlanalyse

Zeitung
Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Die erste Runde der Präsidentenwahl hat die Teilung der ehemaligen Anti-Milosevic-Koalition DOS in zwei politische Blöcke zementiert. Auf der einen Seite steht Vojislav Kostunica mit seiner Partei DSS sowie kleineren Parteien; auf der anderen Seite stehen Ministerpräsident Zoran Djindjic mit seiner Partei DS und dem Reformpolitiker Miroljub Labus sowie den Resten von DOS. Die Wahl hat gezeigt, daß beide Lager etwa gleich stark sind, ihre Wählerschaft aber unterschiedlich ist. So wird Kostunica auch von einem Teil der ehemaligen Milosevic-Wähler unterstützt. Gezeigt hat sich gestern auch, daß der Macht-kampf beiden Lagern schadet. Kostunica bekam 100.000 und Labus sogar 200.000 Wähler weniger als vorhergesagt; sie blieben den Urnen fern, weil sie sich nicht zwischen Kostunica und Labus entscheiden wollten. Insgesamt erhielten beide Kandidaten zusammen weniger Stimmen als Kostunica bei seinem Sieg über Milosevic vor zwei Jahren. Vergleicht man den Wahlkampf, so ist für Labus gemessen am Einsatz das Ergebnis enttäuschend. Zwar hatte Kostunica als Staatschef eine höhere Medienpräsenz, doch von den knapp 1500 Belangsendungen entfiel die Hälfte auf Labus. Aber auch mit noch so großem finanziellen Einsatz, lassen sich schlechte Wahlkampfstrategie und fehlende Koordination mit Zoran Djindjic nicht wett machen.

Gerettet hat Labus den Einzug in die Stichwahl sein Sieg in der Vojvodina, nicht zuletzt durch die Stimmen der Minderheiten und Belgrad. Zwar liegt Labus in Belgrad hinter Kostunica nur auf Platz zwei doch weit vor dem Ultranationa-listen Vojislav Seselj, der in der Vojvodina sogar vor Kostunica auf Platz zwei landete. Seine soziale Basis in dieser Provinz bilden Wähler, die noch vor dem Zerfall Jugoslawiens zuwanderten, Flüchtlinge und auch Arbeitslose. Am schwächsten schnitt Seselj in Belgrad ab, trotzdem sind er und seine Radikale Partei der Sieger der Wahl. Mit 23 Prozent konnte sich Seselj wieder als dritte politische Kraft etablieren. Profitiert hat er von der niedrigen Wahlbeteiligung, seiner diziplinierten Wählerschaft und von der Wahlempfehlung durch Slobodan Milosevic. Dessen gespaltene Partei SPS kam insgesamt auf weniger als fünf Prozent und ist praktisch tot. Auf dem linken politischen Spektrum gibt es der-zeit keine politische Kraft.

Zu den klaren Wahlverlierern zählt auch der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic. Mit Ausnahme von Labus nutzen alle anderen Kandidaten den Wahl-kampf zu massiven Angriffen auf die Regierung und machten die Wahl so zu einer Abstimmung über deren Reformpolitik. Vorgezogene Parlamentswahlen werden somit immer wahrscheinlicher, vor allem dann wenn Kostunica wie erwartet die Stichwahl gewinnt. Scheitert diese an zu geringer Beteiligung, muß die gesamte Wahl wiederholt werden. Tritt dieses Szenario ein, könnte die Ago-nie der Regierung noch einige Monate länger dauern. Doch auch Parlaments-wahlen werden nur zur einer Stabilisierung führen, wenn Kostunica und Djindjic eine neue Basis finden. Nur dann wird es möglich sein, die Umwandlung Jugoslawiens in die Union Serbien und Montenegro zu bewältigen und die Reformen fortzusetzen. Finden die beiden Blöcke keinen Kompromiß, stehen Serbien düstere Zeiten bevor.
Facebook Facebook