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Seselj und Den Haag

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
In den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas haben nicht wenige politische Karieren mit dem Gefängnis begonnen, sondern manche auch damit beendet. Selten ist aber, daß ein und der-elbe Politiker gesiebte Luft am Anfang und am Ende seiner Laufbahn atmen muß. Dies trifft auf den 48-jährigen serbischen Ultranationalisten und Vorsitzenden der Radikalen Partei, Vojislav Seselj, zu. Wegen kontrarevolutionärer Aktivitäten saß der in Sarajevo geborene Seselj zwischen 1984 und 1986 im alten Jugoslawien im Gefängnis. Für den Dissidenten und großserbischen Nationalisten intervenierten damals so manche westliche Staten in Belgrad.

In Den Haag kann Seselj nicht mit derartiger moralischer Unterstützung rechnen; trotzdem hat er sich heute dem Kriegsverbrechertribunal gestellt. Angeklagt ist er der Teilnahme an einem verbrecherischen Unternehmen, das Anfang der 90iger Jahre zur Ermordung, Vertreibung und Mißhandlung mehrerer hundert Bosniaken und Kroatien geführt haben soll. Begangen haben sollen diese Taten Milizen, die Seselj und seine Partei gebildet haben. Seselj weist die Vor-würfe zurück; er will das Tribunal nutzen, um in Serbien politisch zu punkten und seine Partei auch aus der Zelle weiterführen. Doch sein Einfluß auf die Innenpolitik wird zwangsläufig gering sein. Die Opposition verliert so ihren besten Populisten, der bei den gescheiterten Prä-sidentenwahlen bis zu einem Drittel der Wähler gewinnen konnte. Der Zeitpunkt der Anklage und Seseljs Abgang kommen Ministerpräsident Zoran Djindjic gelegen. Die soziale Lage ist schwierig, das Reformtempo hat sehr nachgelassen und Djindjics Ansehen im Westen hat ge-litten. Hinzu kommt, daß Djindjic nun keinen ernsten innenpolitischen Gegner mehr hat; denn sein bisheriger Rivale, Vojislav Kostunica verliert mit der Umwandlung Jugoslawiens demnächst Präsidentenamt und Einfluß.

Doch für Djindjic ist Sesejljs Gang nach Den Haag keine Atempause. Das Tribunal sieht in ihm nur ein kleinen Fisch. Vehement gefordert wird die Verhaftung des früheren bosnischen Serbengenerals Ratko Mladic, der offensichtlich von Teilen Sicherheitsapparats noch immer geschützt wird. Wegen mangelhafter Zusammenarbeit mit dem Tribunal haben die USA ihre Finanzhilfe und die Unterstützung in den internationalen Finanzinstitutionen bis Mitte Juni eingefroren. Bis dahin soll Djidnjic mindestens einen der drei meist gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher fassen. Denn schlechte Presse und schleppende Reformen schrecken auslän-dische Investoren nach wie vor ab. Doch nur sie können die soziale und wirtschaftliche Lage spürbar bessern und damit Djindjics politische Zukunft sichern, ganz gleich wie der Prozeß gegen Vojislav Seselj in den Haag auch immer enden mag.

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