Belgrader Abendessen mit Folgen Die Verhaftung von Momcilo Peresic wirft viele Fragen auf
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Berichte Serbien
Ministerpräsidenten Momcilo Peresic ging das Abendessen erst Samstag zu Mittag zu ende. Denn Peresic, weitere zwei
Serben und ein amerikanischer Diplomat wurden von Angehörigen der militärischen Spionageabwehr in einem
Restaurant verhaften. Der amerikanische Diplomat wurde nach 15 Stunden, Peresic erst nach fast zwei Tagen und
stundenlangen Verhören vor militärischen Untersuchungsorganen wieder freigelassen. Als Grund für die Verhaftungen
werden der Vorwurf der Spionage und der Verdacht des Ver-rates militärischer Geheimnisse genannt, denn hoch
sensible Dokumente sollen in der Tasche des Amerikaners gefunden worden sein.
Die Grotestke des Falles beginnt bereits damit, dass kein führender jugoslawischer oder serbischer Politiker von der
Aktion im Voraus informiert gewesen sein will. Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica will erst in Barcelona beim
EU-Gipfel informiert worden sein; Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic und sein Kabinett wollen von der
Verhaftung ihres Regier-ungskollegen überhaupt nur aus den Medien erfahren haben und selbst der vor seiner Pension
stehende Generalstabschef Nebojsa Pavkovic will nichts von allem gewusst haben. Dabei soll die Überwachung von
Peresic, der von Slobodan Milosevic vor dem Kosovo-Krieg eben durch Pavkovic ersetzt worden war, mehrere
Monate gedauert haben.
Umstritten ist, ob Peresic überhaupt hätte verhaftet werden dürfen, denn er ist auch Abgeord-neter im jugoslawischen
Bundesparlament und als solcher immun. In dem Zusammenhang ist auch die Verhaftung des diplomatisch immunen
Angehörigen der amerikanischen Botschaft höchst spektakulär. Die USA legten jedenfalls einen geharnischten Protest
ein und auch Zoran Djindjic sprach von einem Skandal erster Ordnung und internationalen Ausmaßes. Djindjic kommt
der Vorfall sicher höchst ungelegen, denn bis 31. März muss er wegen amerikanischen Drucks wieder mutmaßliche
Kriegsverbrecher an das Haager Tribunal ausliefern, will er nicht die Finanzhilfe der USA gefährden. Diese kommende
Auslieferung wird Djindjic nicht leicht fallen, denn als mögliche Kandidaten gelten ein ehemaliger jugoslawischer
Verteidigungs-minister und weitere drei ehemalige Offiziere. Auf die jugoslawischen Streitkräfte hat Djindjic jedoch
keinen direkten Einfluss; sie unterstehen Vojislav Kostunica, der nicht nur Djindjics politischer Gegner, sondern auch ein
Gegner des Tribunals ist. Hinzu kommt, dass Milosevic den Serben mit seiner Verteidigung imponiert, das Haager
Tribunal somit noch unpopulärer geworden ist. Unpopulär ist die Auslieferung aber auch bei Spezialeinheiten der
serbischen Polizei, die nach Verhaftung und Auslieferung dreier bosnischer Serben mehrere Tage eine Autobahnausfahrt
bei Belgrad blockierten. Zu all dem Ungemach dürfte die offen-sichtlich zweifelhafte zivile Kontrolle über bewaffnete
Kräfte - neben allen anderen bürokra-tischen Problemen – die Bereitschaft des Auslandes nicht gerade erhöhen, in
Serbien zu in-vestieren. Vom Wirtschaftsaufschwung in Serbien hängt jedoch auch Zoran Djindjics politi-sches
Schicksal ab. Daher könnte die Aktion Peresic durchaus auch weit hintergründige Dimensionen haben ……