Der Mord an Zoran Djindjic trifft Serbien zu einem katastrophalen Zeitpunkt. Das Reform-tempo ist massiv zurückgegangen, die soziale und wirtschaftliche Lage ist schwierig, der internationale Währungsfonds hat die Auszahlung eines weiteren Kredits wieder verschoben und Serbien hat keinen gewählten Präsidenten. Die Regierung umfaßt 17 Parteien, die von Djindjic mühsam zusammengehalten werden konnten. Außerdem muß Serbien eine neue Verfassung ausarbeiten, die dem neuen Staatenbund Serbien und Montenegro entsprechen muß. Doch die Umwandlung Jugoslawiens in diesen Bund steht erst am Beginn. Zwar gibt es einen Präsidenten, doch die neue Regierung ist noch nicht gebildet und von der Harmoni-sierung der beiden Volkswirtschaften ist man weit entfernt. Genau das verlangt die EU, die die beiden ungleichen Partner in diese weitgehend ungewollte Ehe gezwungen hat. Ohne Harmonisierung kein Abkommen über Stabilität und Assoziation lautet Brüssels Botschaft. Diese Bedingung trifft etwa die serbische Textilindustrie massiv; sie hat die niedrigen Export-quoten in die EU bereits jetzt für das gesamte Jahre konsumiert. Die Textilindustrie ist die Schlüsselindustrie im krisenhaften Südserbien, in dem sich albanische Freischärler neuerlich regen. Was Serbien in dieser Lage braucht ist zweierlei: eine Regierung der nationalen Ein-heit, die die Partei des früheren jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica einschließt. Kostunica ist zwar kein Macher, doch sehr populär und die Rückkehr seiner Partei kann die Stabilität in Serbien erhöhen. Zweitens muß die EU endlich aus ihrem Versagen am Balkan lernen und wenigstens in Serbien zu einer klaren Strategie finden. Dazu zählt, daß auf die Harmoniserung der Volkswirtschaften verzichtet wird und getrennte Verhandlungen über die Annäherung an Brüssel zugelassen werden. Das würde die Reformen in Serbien und Monte-negro ebenso beschleunigen wie deren Annäherung an die EU. Gefordert ist nun entschlos-senes Handeln, soll ein Nachfolger von Zoran Djindjic eine Chance haben. Djindjics Ermor-dung ist ein fürchterlicher Beweis dafür, wie instabil die Lage in Serbien und am Balkan noch immer ist. Zu nennen sind auch Bosnien, Mazedonien und der ungeklärte Status des Kosovo. Für Europa könnte es sich bitter rächen, sollte es durch andere Krisen abgelenkt, den Balkan vernachlässigen und weiter zu keiner klaren Strategie finden. Denn diese instabile Region liegt direkt vor unserer Haustür.