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Serbien vor der Wahl

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Berichte Serbien
Am Donnerstag kehrte die slowenische Mercator-Gruppe nach 10 Jahren Abwesenheit end-gültig wieder nach Serbien zurück und eröffnete in Neubelgrad das größte Einkaufszentrum am Balkan. Der Andrang war ungeheuer und Menschenmassen drängten sich durch das Ge-bäude, in dem fast 50 Geschäfte untergebracht sind, darunter auch eine Raiffeisenbank und ein Geschäft der Firma Palmas. Eröffnet wurde das Einkaufszentrum von den Außenministern Sloweniens und Jugoslawiens, Dimitri Rupel und Goran Svilanovic. Svilanovic nutze die Ge-legenheit und rief die Serben dazu auf, bei der Präsidentenwahl am Sonntag vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Denn die Gefahr ist durchaus real, daß nach der Stichwahl Ende Okto-ber auch die Wiederholungswahl scheitert, weil weniger als 50 Prozent aller Wahlberech-tigten teilnehmen.

Verantwortlich dafür sind vier Gründe: eine gewisse Wahlmüdigkeit der Serben; veraltete Wählerlisten, die noch immer viele „tote Seelen“ enthalten; ein restriktives Wahlgesetz, das weder Wahlkarten, fliegende Wahlkommissionen noch eine Briefwahl vorsieht sowie der Machtkampf zwischen Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic und den jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica. Dieser Machtkampf hat dazu geführt, daß Djindjics Mehr-heit im Parlament das Wahlgesetz nach dem Scheitern der ersten Wahl so geändert hat, daß zwar für die Stichwahl keine gesetzlich vorgeschriebene Wahlbeteiligung mehr gilt, ein zweiter Durchgang jedoch nur zustande kommt, wenn im ersten Wahlgang 50 Prozent plus eine Stimme aller Wahlberechtigten zu den Urnen gehen. Diese Vorgabe könnte wieder verfehlt werden, weil Djindjics Lager keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat. Damit verfügt jene Million Wähler, die bei er ersten Wahl für den Reformpolitiker Miroljub Labus gestimmt hat, praktisch über keinen Kandidaten. Denn zur Wahl stehen dieses Mal nur Vojislav Kostunica, der Ultranationalist Vojislav Seselj und Borislav Peljevic. Peljevic ist Vorsitzender der SSJ, der Partei der Serbischen Einheit, die vom ermordeten Milizenführer Arkan gegründet worden ist. Die SSJ ist ein Regionalpartei und Peljevic erreichte bei der ersten Wahl im ersten Durchgang nicht ein Mal 150.000 Stimmen. Vojislav Seselj kann mit bis zu einer Million Wähler rechnen, Kostunica mit etwa zwei Millionen, doch das ist noch immer weniger als die Hälfte der knapp 6,5 Millionen Wahlberechtigten. Im Wahlkampf hat sich Kostunica mit seiner Kritik an Djindjic daher weit stärker zurückgehalten als bei der ersten Wahl, um vielleicht doch Labus-Wähler ansprechen zu können. Denn am Sieg von Kostunica besteht kein Zweifel, sollte die erforderliche Wahlbeteiligung erreicht werden.

Wird sie verfehlt, so muß die gesamte Wahl binnen 60 Tagen wiederholt werden.

Darauf setzt Zoran Djindjic; denn bis dahin könnte die Umwandlung Jugoslawiens in die lose Union Serbien und Montenegro abgeschlossen sein und dann muß die serbische Verfassung an die Verfassung dieses neuen Staates angepaßt werden. Dadurch könnten die Kompetenzen des serbischen Präsidenten noch weiter beschnitten werden. Sollte die Wahl wieder scheitern, könnte in Serbien auch jene Strömung die Oberhand gewinnen, die den Präsidenten nicht mehr durch das Volk, sondern durch das Parlament wählen lassen will. Djindjic ist jedenfalls bestrebt, den populären Kostunica ins Leere laufen zu lassen, um seine heterogene Koalition bei der Stange zu halten. Djindjics Hauptziel ist es, vorgezogene Parlamentswahlen so lange zu vermeiden, bis die Reformerfolge für die Masse der Serben sichtbar und spürbar wird. Djindjic weiß um seine geringe Popularität, die ihn im Falle einer Parlamentswahl den Posten des Ministerpräsidenten kosten könnte, zumal mit der Umwandlung der Gruppe G17-Plus in eine Partei nun auch reformorientierte Wähler über über eine glaubhafte Alternative zu Djindjic verfügen.

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