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Den Haag: Milosevic gegen Rugova

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Im Kriegsverbrecherprozeß vor dem Haager Tribunal kam es in der jüngsten Verhandlungs-runde zum Zusammentreffen zweier „alter Bekannter“. Slobodan Milosevic gegen Ibrahim Rugova lauetet die Auseinandersetzung. Ibrahim Rugova war bis zum Auftauchen der Frei-schärlerbewegung UCK der unbestrittene Führer der Kosovo-Albaner, organisierte den jahre-langen gewaltlosen Widerstand gegen Milosevics Serbien und ist nunmehr der erste freige-wählte Präsident des Kosovo. Gleichzeitig ist Rugova der bisher prominenteste Zeuge, den das Tribunal gegen Slobodan Milosevic „ins Rennen“ geschickt hat.

Im Kreuzverhör blieb Milosevic seiner Strategie treu und versuchte die Glaubwürdigkeit Rugovas zu erschüttern. So rückte der Angeklagte den Albaner in die Nähe der UCK und versuchte ihn für die Ermordung und Vertreibung der Serben aus der Provinz verantwortlich zu machen. Doch der Richter ließ Milosevics Frage nicht zu, ob er, Rugova, sich als wich-tigstes Glied in der albanischen Kommandokette für die Vertreibungen der Nicht-Albaner verantwortlich fühle. Diese Frage war an sich geschickt gedacht, denn Milosevic ist eben deshalb vor dem Haager Tribunal angeklagt, weil er als wichtigstes Glied in der serbischen Befehlskette für Verbrechen auch im Kosovo verantwortlich sein soll.

Ganz generell unterbrach der Richter Milosevic bei dessen Kreuzverhör recht häufig, denn das Tribunal steht unter Zeitdruck und außerdem stellte Milosevic oft Fragen, die mit dem Konflikt im Kosovo selbst nichts zu tun hatten. So ging es etwa um die frühere Mitglied-schaft Rugovas bei den jugoslawischen Kommunisten. Rugova leugnete diese Zugehörigkeit nicht, doch sei er nicht aus Überzeugung, sondern aus Notwendigkeit beigetreten. Im relevan-teren Teil seines Kreuzverhörs wollte Milosevic Rugova dazu bewegen anzuerkennen, daß die UCK eine terroristische, aus dem Ausland und durch Drogenhandel finanzierte Gruppe gewe-sen sei, die Jugoslawien feindlich gesonnene Großmächte wie etwa Deutschland unterstützt hätten. Außerdem erinnerte Milosevic daran, daß im Zweiten Weltkrieg viele Albaner auf Seiten Deutschland gekämpft hätten. Während der Richter diesen Hinweis als nicht relevant verwarf, bestritt Rugova die von Milosevic getroffene Qualifizierung der UCK. Vielmehr sei die UCK eine Bewegung gewesen, die ihrem Volk helfen wollte, doch mit ihrer schwachen Bewaffnung keine Chancen gegen die serbische Übermacht gehabt habe, betonte Rugova. Zur Sprache kamen in diesem Zusammenhang auch die Treffen zwischen Rugova, Milosevic und dem serbischen Präsidenten Milan Milutinovic während des NATO-Krieges. Zur nicht gering „Verwunderung“ der NATO hatte Rugova nach einem Treffen mit Milutinuvic in einer schriftlichen Erklärung eine Einstellung des Bombardements gefordert. Auf die Frage Milosevics, warum er, Rugova, seinen friedlichen Weg verlassen habe, betonte der Albaner, daß dies Serbien und nicht er getan habe. Außerdem betonte der Zeuge, er sei zu den Treffen nach Belgrad ebensowenig freiwillig gekommen, wie er auch diese Erklärung nicht freiwillig unterschrieben habe. Dies mag durchaus stimmen, doch ebenso dürfte auch stimmen, daß Rugova die UCK nicht stets so positiv bewertet hat wie vor dem Tribunal. Denn die letzten beiden Monate des Krieges verbrachte Rugova in Italien im Exil aus dem er erst nach Pristina zurückkehrte, nachdem dort die KFOR-Soldaten auch von der UCK das Kommando übernommen hatten.

Auch die Befragung Rugovas führte Milosevic vor allem für sein serbisches Publikum durch. Ob er. wie gegenüber anderen Albanern, in den Augen der Serben auch dieses Mal als Sieger dasteht, werden erst Meinungsumfragen zeigen. Rugova machte jedenfalls nicht den Fehler, unbewußt ins Serbische zu verfallen, das er ebenfalls fließend beherrscht. Doch das Bild der Serben vom Haager Tribunal ist derart gefestigt, daß es Rugova wohl auch nicht mit seinen Antworten zu erschüttern vermochte, die er dem befragenden Ankläger in Verbindung mit den Friedensverhandlungen in Rambouillet gab. Die Serben hätten gar keine Vereinbarung erzielen wollen, sagte Rugova, der auch ein Treffen mit der damaligen US-Außenministerin Madlaine Albright dem Gericht schilderte. Albright habe den Albanern gesagt, „wenn ihr nicht unterschreibt isolieren wir euch und wir haben nichts mehr mit euch zu schaffen“. Albrights Botschaft an die Serben habe gelautet: „Wenn ihr die Vereinbarung nicht annehmt, bombardieren wir euch“. Die Albaner unterschrieben, die Serben nicht. Daher saß Rugova in Den Haag nun auch im Zeugenstand, während Milosevic auf der Anklagebank sitzt.
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