Neue Regierung mit radikalem Reformprogramm
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Berichte Serbien
Serbien hat sein gestern eine neue Regierung. Im Parlament in Belgrad gewann der neue, konservative Ministerpräsident Alexander Vucic wie erwartet die Vertrauensabstimmung ganz klar. Bei der Parlamentswahl Mitte März gewann Vucic mit seiner konservativen Fortschrittspartei 158 von 250 Sitzen im Parlament und damit die absolute Mehrheit. Trotzdem bildete Vucic eine Koalition, der mehrere kleinere Parteien angehören. Im Parlament hielt Vucic gestern seine Regierungserklärung, dabei verkündete er ein hartes Spar- und Modernisierungsprogramm für Serbien. Aus Belgrad berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:
Der 44-jährige Alexander Vucic ist seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor 14 Jahren der erste Ministerpräsident in Serbien, der über eine derart stabile Mehrheit im Parlament verfügt. Neben seiner Fortschrittspartei SNS gehören der Koalition noch die Partei der ungarischen Minderheit, einige Kleinparteien und die Sozialisten von Ivica Dacic an. Dacic war bis zur Wahl Mitte März Ministerpräsident, Vucic war sein Stellvertreter. Nun führt Vucic die Regierung, Dacic ist erster stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister. Im Parlament mit seinen 250 Abgeordneten verfügt die Regierung über eine Vier-Fünftel-Mehrheit, die Opposition führt somit ein politisches Schattendasein. Vucic hat der Parteibuchwirtschaft den Kampf angesagt; das zeigt auch sein Kabinett; nur sieben der 19 Regierungsmitglieder gehören Vucics Partei SNS an. Parteilose Experten führen das Finanz- und Wirtschaftsministerium. Zentrales Ziel Vucics ist die Modernisierung Serbiens. Diesem Ziel dient die EU-Annäherung. In seiner gestrigen Regierungserklärung sagte Vucic dazu:
„Die EU ist keine ideale Gemeinschaft, doch die EU ist die beste Gemeinschaft an Staaten die es heute auf der Welt gibt, daher wollen wir ihr beitreten. Bereits während der Verhandlungen wird sich unsere Gesellschaft modernisieren und ändern, weil wir viele Standards in der Verwaltung, in der Justiz, im Bildungs- und Gesundheitsbereich übernehmen werden. Eine kleine, arme Gesellschaft wie die unsere, könnte diese Standards allein nie erreichen; daher ist die EU-Mitgliedschaft für uns eine große Chance.“
Die Beitrittsverhandlungen mit der EU will Vucic binnen vier Jahren abschließen. Ob dieses Ziel erreichbar ist, ist fraglich. Denn zunächst muss Serbien überhaupt einen massiven Sparkurs fahren. Bis zum Sommer soll das Parlament ein Sparprogramm zur finanziellen Konsolidierung beschließen, die Löhne im öffentlichen Dienst sollen sofort um zehn Prozent sinken. 780.000 Personen arbeiten im öffentlichen Sektor, das ist mehr als jeder zehnte Serbe. Geplant sind Personalabbau und Bürokratiereform, um die Korruption einzudämmen und Serbien attraktiver für ausländische Investoren zu machen, die derzeit 170 Tage auf eine Baugenehmigung warten müssen; diese Wartezeit will Vucic auf 60 Tage kürzen. Die größte politische Herausforderung auf dem Weg zur EU heißt nach wie vor Kosovo; dazu sagte Vucic gestern:
„Wir werden die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen, doch wir müssen gemeinsam in Frieden mit den Albanern leben. Daher will ich an der Lösung dieses Problems weiter arbeiten und ich werde davor den Kopf nicht in den Sand stecken.“
Die Verhandlungen mit dem Kosovo in Brüssel will Vucic künftig selbst leiten. Gelingen seine zentralen Reformpläne, könnte Serbien und dem Balkan in den kommenden vier Jahren wirklich ein großer Sprung vorwärts hin zu Frieden, Wohlstand und Stabilität gelingen.