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Erste große Ausstellung über die Tito-Repression in Serbien

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Berichte Serbien


„U ime naroda“ – Im Namen des Volkes ist der Titel einer Ausstellung, die in Serbien zum ersten Mal in umfassender Weise die Massenmorde und die politische Verfolgung in der Zeit des kommunistischen Tito-Regimes aufarbeitet. Der Titel „Im Namen des Volkes“ erinnert an die Urteile in Schauprozessen, die mit dieser Formulierung begannen. Die Ausstellung im „Historischen Museum Serbiens“ wird heute Abend (Mittwoch) in Belgrad eröffnet und dort bis August geöffnet sein wird. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat sie bereits besucht und mit ihren Organisatoren gesprochen; hier sein Bericht:

Das „Historische Museum“ ist ein mächtiges Bauwerk, das in der Zeit der deutschen Besatzung die Gestapo und danach die kommunistische Geheimpolizei genutzt haben sollen. Der Besucher hat zunächst ein Kügelchen aus Ton in eine der beiden Urnen zu werfen, hinter denen ein großer roter Sowjetstern steht. So hatte auch die Bevölkerung im November 1945 zwischen den Tito-Kommunisten und einer Blockpartei zu wählen, denn die demokratische Opposition boykottierte die Wahl, bei der es keinen fairen Wettbewerb gab. Der zentrale Raum dahinter personalisiert die Opfer durch Fotografien und persönliche Gegenstände. Am Boden liegt eine große Karte Serbiens, auf der die mehr als 200 Massengräber verzeichnet sind, die auf die Endphase des Zweiten Weltkriegs zurückgehen. Dazu sagt der Historiker Srdjan Cvetkovic, der diese Ausstellung konzipiert hat:

„Wir haben bisher 56.000 Personen erfasst, die ab September 1944 umgekommen sind. Etwa 90 Prozent, starben bis Ende 1945. Von diesen 56.000 wurden etwa 34.000 erschossen, die übrigen starben in Lagern. Die Zahl ist nicht endgültig und kann auf bis zu 70.000 steigen. Die größte Zahl der Opfer haben wir dank der Bücher aus den Lagern und der Listen der Erschossenen; sie stammen aus dem Archiv der Staatssicherheit, das die Regierung geöffnet hat als sie die Kommission über geheime Massengräber gebildet hat.“

Die Erschießungen erfolgten oft wahllos; betroffen waren Zivilisten, Intellektuelle aber auch 4000 Gewerbetreibende, Unternehmer und natürlich Volksdeutsche, die vor allem in Lagern umkamen; doch es ging nicht nur um kollektive Rache, sondern auch um die Liquidierung von Klassenfeinden, betont Srdjan Cvetkovic:

„Ein ausgezeichneter Vorwand für die Liquidierung und später für Prozesse und für die Enteignung war der Vorwurf der Kollaboration und der Beteiligung an Kriegsverbrechen. Nach 1946 wurde die Rechtfertigung geändert; da wurden Personen der Spionage oder der Zusammenarbeit mit ausländischen Botschaften oder der Spekulation beschuldigt. Doch das wahr Ziel in vielen Fällen war das Eigentum dieser Personen oder ihre politische Haltung.“

Die Ausstellung umfasste den Zeitraum von Ende 1944 bis 1953, dem Todesjahr des sowjetischen Diktators Josef Stalin, mit dem Tito 1948 brach. Ein Jahr später nahm die KZ-Insel Goli Otok ihre Arbeit auf, die zunächst jugoslawische Stalinisten bevölkerten, dann aber auch zur Einschüchterung der Bevölkerung diente. Insgesamt 16.500 Personen mussten auf der Insel Zwangsarbeit leisten. Ihr ist ebenso ein Raum gewidmet wie der Kollektivisierung der Landwirtschaft, die mit großer Brutalität erfolgte. Thematisiert werden auch die Schauprozesse, das Wirken der Geheimpolizei und der Personenkult um den Diktator Josip Broz Tito.

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