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Alfred Gusenbauer in Belgrad

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Berichte Serbien
Der frühere sozialdemokratisch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat heute zum ersten Mal sein neuen Arbeitsplatz in Belgrad besucht. Gusenbauer wird die serbische Regierung auf ihrem Weg in die EU beraten, denn die Verhandlungen mit Brüssel sollen bereits im Jänner beginnen. Der Hauptansprechpartner des früheren österreichischen Bundeskanzlers wird in Serbien aber nicht der sozialistische Ministerpräsident Ivica Dacic, sondern dessen konservativer Stellvertreter Alexander Vucic sein. Vucic ist der Vorsitzende der stärksten Regierungspartei, der konservativen serbischen Fortschrittspartei. Er hat Alfred Gusenbauer auch für diese Beratertätigkeit engagiert. Wie sie konkret aussehen soll, darüber hat in Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Alfred Gusenbauer gesprochen; hier sein Bericht:

Alfred Gusenbauer und Alexander Vucic gaben nach ihrem ersten Treffen in Belgrad keine Pressekonferenz, doch waren zehn serbische Journalisten zum Hintergrundgespräch in die Regierung geladen. Vucic betonte zu Beginn, dass er sich von Alfred Gusenbauer konkrete Ratschläge aber auch eine Art Lobbying in den europäischen Hauptstädten für den Weg Serbiens in die EU erwarte. Dazu zählt auch die Teilnahme an internationalen Konferenzen wie etwa Ende Oktober in London, wo Vucic und Gusenbauer gemeinsam auftreten werden. Die serbischen Journalisten fragten den früheren österreichischen Bundeskanzler wie lange Serbiens Weg in die EU wohl dauern werde, und ob sich das Image des Landes bereits verbessert habe. Gusenbauer verwiese auf das Brüsseler Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo, das in Europa sehr positiv aufgenommen worden sei. Seinen ersten Ratschlag für Serbien schildert er im ORF-Interview so:

"Ich werde keine Märchen erzählen, sondern man kann nur über das berichten, was tatsächlich geschieht, und daher ist mein erster Ratschlag: "Tue Gutes und rede darüber", das heißt, wenn Reformen hier in Serbien stattfinden in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit, besseres Umfeld für die Wirtschaft, friedlicher und stabiler Verhältnisse, dann muss man darüber in Europa auch reden. Dazu hat es in Europa im Übrigen auch schon erste Schritte gegeben: das Brüsseler Abkommen war ein wichtiger Schritt, der engagierte Kampf gegen die Korruption ist ein weiterer wichtiger Schritt, und das muss man auch öffentlich machen."

Zu seinen konkreten Aufgaben sagte Gusenbauer:

"Zum einen geht es natürlich um die Expertise, was den Beitrittsprozess im engeren Sinne betrifft; zum Zweiten, glaube ich, braucht Serbien auch ein gutes Gefühl wie man in den europäischen Hauptstädten über Serbien denkt, und zum Dritten geht es darum, das Image Serbiens in Europa zu verbessern. Ein Hauptteil meiner Tätigkeit ist natürlich nicht hier in Belgrad, sondern in Europa, aber ich werde regelmäßig herkommen; am Anfang alle zwei Wochen, um uns zu besprechen und zu koordinieren; und ich werde hier auch ein Büro haben, damit die Kommunikation leichter funktioniert; aber ein Hauptteil meiner Arbeit ist für den serbischen Beitritt zur Europäischen Union in Europa."

Zu Beginn der Briefings in der serbischen Regierung verwies Alexander Vucic auch darauf, dass nun knapp hundert Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein ehemaliger österreichischer Bundeskanzler Serbien auf dem Weg in die EU behilflich sein werde. In der Tat sind die bilateralen Beziehungen sehr gut, und Wien zählt zu den Fürsprechern Belgrads in Brüssel. Diese historische Dimension bewertet Alfred Gusenbauer so:

"Ich glaube natürlich, dass die beiden Staaten ein auf und ab in ihren Beziehungen gehabt haben. Aber das ist ein wichtiges Signal, dass heute ein ehemaliger österreichischer Bundeskanzler sich dafür einsetzt, dass Serbien seinen Platz in der europäischen Heimat findet. Das ist, was ich unter neuem Europa verstehe, ein neues Europa, das die Antwort ist auf Krieg und Zerstörung."

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