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Serbischer Bauer sucht albanische Frau

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Berichte Serbien
Der Konflikt zwischen Serben und Albanern prägte die Geschichte des Balkan seit mehr als 100 Jahren. Hoffentlich letzter Höhepunkt war der NATO-Krieg im Jahre 1999, der die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo einleitete. Doch jenseits historischer Erblast und politischer Probleme besteht offensichtlich durchaus eine Chance auf ein friedliches Zusammenleben. Das zeigen wohl die mehr als 300 Ehen, die seit dem Jahre 2007 zwischen Albanerinnen aus Nordalbanien und Serben geschlossen wurden. In den meisten Fällen geht es um Ehen, die nach dem Motto „Bauer sucht Frau“ in Dörfern und Kleinstädten geschlossen wurden. Ein Paar hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz besucht; hier sein Bericht:

Das Dorf Budjevo liegt auf der Hochebene von Pester, 1360 Meter über dem Meeresspiegel im Südwesten von Serben. Die nächste Stadt Sjenica im Grenzgebiet zu Montenegro ist zwar nur 30 Kilometer entfernt, doch die Straße ist nur teilweise asphaltiert. Budjevo hat weder Gasthaus, Apotheke noch Greißler; bis 2009 gab es nicht einmal eine Kirche. 2002 zählte das Dorf noch 100 Einwohner und war zum Sterben verurteilt. Die Wende kam 2006 als der erste Bewohner eine Albanerin heimführen konnte. Mittlerweile haben sechs Albanerinnen eingeheiratet. Dazu zählt Lula Novcic, geborene Sokoli. Seit sieben Jahren ist die 38-jährige mit ihrem 15 Jahre älteren Mann Marko Novic verheiratet. Das Paar hat eine Tochter und zwei Buben im Alter von zwei bis fünf Jahren. Den Weg in den Hafen der Ehe schildert Lula so:

„Zunächst kam er, um mich kennenzulernen; dann kam er ein zweites Mal und hielt um meine Hand an. Er brachte mir ein Kettchen und die Verlobungsringe mit und im November 2006 bin ich dann mit ihm hierhergekommen. Ich bin zufrieden; ich habe drei Kinder; ich lebe gut, mein Schwager hilft uns, dann haben wir noch das Kindergeld und die Landwirtschaft.“

Sechs Dörfer musste Marko mit einer Dolmetscherin abklappern, ehe er Lula fand. Sie stammt aus Nordalbanien und gehört der katholischen Minderheit an. Lula hat neun Geschwister; zwei Brüder arbeiten wie viele andere Albaner in Griechenland; im Dorf dominieren Männermangel und Abwanderung. Lulas Eltern haben eine kleine Landwirtschaft. Das erleichtert ihr den Alltag in Budjevo, den Lula so beschreibt:

„In der Früh stehe ich auf, trinke Kaffee; dann melke ich die Küche, wecke die Kinder auf und wir frühstücken. Dann bereite ich das Mittagessen und später das Abendessen vor. Drei Mal am Tag melke ich die Kühe und mache Käse. Als ich ein Mädchen war, habe ich gemolken und der Mutter geholfen.“

Ehemann Marko arbeitete mehr als 30 Jahre beim Autobauer Zastava und dann als Landarbeiter. 2005 kehrte in sein Dorf zurück, um seine Mutter zu pflegen; sie starb, doch Marko blieb. Nun hat er eine Familie und eine einigermaßen sichere Existenz. Die Bedeutung der Albanerinnen für Budjevo sei enorm, betont Marko Novcic:

„Das Dorf kam wieder auf die Füße dank der Hilfe der Albanerinnen. In Budjevo gab es keine zwei Kinder. Jetzt haben wir 18 Kinder, davon haben 14 die Albanerinnen geboren; und das 15. Kind ist unterwegs.“

Eine wichtige Rolle bei der Eheanbahnung spielt die serbische Hilfsorganisation „Stara Raska“, die mit dem Verband der Serben in Nordalbanien und mit einer Agentur zusammenarbeitet. Zur Partnervermittlung sagt Momir Kovacevic, Präsident von Stara Raska in der Stadt Sjenica:

„Das ist ein kompliziertes Verfahren. Erstens muss der Mann der Frau gefallen, zweitens die Frau dem Mann. Dann muss der Familie der Mann und auch sein Haushalt gefallen. Es ist ziemlich schwierig, all das unter einen Hut zu bringen; doch in der Mehrheit der Fälle wird das erfolgreich gelöst.

Viele Familien unterstützt Stara Raska finanziell auch nach der Trauung. Ziel ist es, dem Sterben der Dörfer entgegenzuwirken. Das gelingt zwar nur auf einer Mikroebene, doch Dörfer wie Budjevo brauchen nun wieder eine Grundschule; diese Entwicklung ist Ehen zu verdanken, die wohl keine Liebesheiraten sind, aber dank ähnlicher Mentalität und soziale Herkunft vielleicht gar nicht so schlecht funktionieren, wie das Beispiel von Lula und Marko Novcic zeigt.

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