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Interview mit Alexander Vucic zu Kosovo, EU und Reformen

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Berichte Serbien
Vergangenen Freitag erzielten der Kosovo und Serbien in Brüssel unter Vermittlung der EU eine erste, historische Vereinbarung zur Normalisierung ihrer Beziehungen. Eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung des Kompromisses spielte in Serbien Alexander Vucic. Der 43-jährige stellvertretende Regierungschef ist Vorsitzender der stärksten Regierungspartei SNS. Sie hat sich ebenso wie ihr Chef von einer ultranationalistischen Bewegung zu einer nationalkonservativen Partei gewandelt, die nun Mitglied der Bewegung der europäischen Volksparteien werden will. In Belgrad hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Alexander Vucic über den Kosovo und die EU-Annäherung Serbiens gesprochen; hier sein Bericht:

Der großgewachsene Alexander Vucic spricht in der Regel leise und mit bedächtiger Stimme. Bei den Gesprächen mit dem kosovarischen Regierungschef Hashim Thaci in Brüssel, soll Vucic einige Male auch recht laut geworden sein. Doch was zählt ist die Vereinbarung, die insbesondere die Rechte der serbischen Volksgruppe regelt, die den Nord-Kosovo dominiert. Diesen Kompromiss sieht Vucic auch als ersten Schritt zur Aussöhnung zwischen Serben und Albanern. Alexander Vucic:

„Man kann einen Konflikt der hundert Jahre gedauert hat, nicht an einem Tag lösen. Doch das sind Schritte, die zu normaleren und vernünftigeren Beziehungen zwischen beiden Völkern führen. Wichtig für die Region ist, dass das ein Impuls für den Frieden sein kann. Dabei wird es noch viele Hindernisse geben, doch ein wichtiger Schritt ist getan.“

Massiv abgelehnt wird die Vereinbarung von der Serben im Nordkosovo; viele sehen sich von Belgrad verraten; mit den Bürgermeistern der Vier-Serben-Gemeinden des Nordens werden Vucic und die Staatsführung in den kommenden Tagen sprechen. Alexander Vucic

„Wir müssen auch eine Vereinbarung mit unserem Volk erzielen. Ich hoffe, dass wir einen gemeinsamen Nenner finden. Gleichzeitig ist es für uns sehr wichtig, dass die Wirtschaftslage im Nordkosovo besser wird; so müssen wir versuchen Investoren auch in den Norden zu bringen, damit das Volk dort sieht, dass es vom europäischen Weg profitieren kann, und damit dieser Weg nicht als Problem empfunden wird.“

Die EU-Kommission hat nun empfohlen, Serbien im Juni ein Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu geben. Vorbehalte bestehen vor allem in Deutschland, wo im Herbst gewählt wird und wo der Bundestag Beitrittsverhandlungen mit der EU zustimmen muss. Die Bedeutung einer positiven Entscheidung unterstreicht Vucic so:

„Nach all dem wäre es eine absolute Katastrophe, wenn die EU jetzt Serbien kein Datum geben würde. Es gibt wohl keine serbische Regierung, die in nur acht Monaten so viel geleistet hat wie diese Regierung; daher wäre es wohl äußerst schwer, den Serben zu erklären, dass wir dieses Datum nicht bekommen haben, weil in irgend einem EU-Land Wahlen bevorstehen. Ich bin überzeugt, dass in allen Ländern die Vernunft siegen wird und Serbien das Datum erhält.“

Grundsätzlich positiv bewertet die EU-Kommission den gesamten Reformprozess in Serbien. Kritische Anmerkungen gibt es insbesondere zur Freiheit der Medien sowie zur Justiz. Dazu sagt Alexander Vucic:

„In zwei Bereichen sind Reformen wichtig; der eine betrifft den Rechtsstaat, der zweite die Entbürokratisierung, damit wir Vorschriften haben, die Investoren viel bessere Möglichkeiten bieten. In Zusammenarbeit mit der EU werden wir in Kürze eine Strategie für den Kampf gegen die Korruption beschließen. Hinzu kommen noch einige wichtige Gesetze, die die Organisation der Gerichte betreffen. Natürlich muss auch die Verfahrensdauer kürzer werden; sie ist noch immer ein Problem für die Effizienz der Justiz.“

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