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Vor entscheidenden Kosovo-Verhandlungen in Brüssel

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Berichte Serbien
Unter Vermittlung der EU beginnt heute in Brüssel die entscheidende Verhandlungsrunde auf dem Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem albanisch dominierten Kosovo. Zentraler Streitpunkt ist dabei die Frage, welche Kompetenzen der geplante Verband der serbischen Gemeinen im Kosovo erhalten soll. Belgrad will möglichst viele, Pristina möglichste wenige Zuständigkeiten. Verhandelt wird in Brüssel auf höchster politischer Ebene und zwar durch die Ministerpräsidenten beider Länder, durch den Kosovo-Albaner Hashim Thaci und den Serben Ivica Dacic. Aus Belgrad berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Etwa 100.000 der zwei Millionen Einwohner des Kosovo sind Serben, die aber im Nord-Kosovo dominieren. Insgesamt stellen Serben in zehn Gemeinden die Mehrheit; fünf davon schuf die Regierung in Pristina nach der Ausrufung der Unabhängigkeit im Februar 2008. Die Bildung dieser Gemeinden sah der Plan vor, den 2007 die UNO-Vermittler Marti Ahtisaari und der Österreicher Albert Rohan vorlegten, um den Status des Kosovo zu lösen. Die Albaner stimmten zu, die Kosovo-Serben und Serbien lehnten den Plan vehement ab. Dieser Ahtisaari-Plan sah bereits die Möglichkeit vor, einen serbischen Gemeindeverband zu bilden, der zwar viele Zuständigkeiten aber keine exekutiven und richterlichen Befugnisse haben sollte. Genau das und noch mehr fordert nun Belgrad; dazu sagt Serbiens Präsident Tomislav Nikolic:

„Serbien besteht darauf, dass die Bürger in dem Verband serbischer Gemeinden in der Mehrheit über Polizei und Justiz entscheiden. Außerdem fordert Serbien, dass niemals Militär des Kosovo auf dem Territorium dieser Gemeinden stationiert wird. Dieser Verband muss auch Teil der Rechtsordnung des Kosovo sein; um diese Vereinbarung nicht mehr aufheben zu können, muss auch die EU Garantiemacht der Vereinbarung sein.“

Ahtisaari-Plus heißt dieser serbische Vorschlag, der vom Kosovo, von vielen EU-Staaten und auch den USA abgelehnt wird, die de facto bei den Verhandlungen in Brüssel ein wichtiges Wort mitreden. Zum einem besteht die Befürchtung, einen zu komplizierten Staat zu schaffen, der ebenso unregierbar ist wie Bosnien und Herzegowina. Zweitens rechnen USA und EU offenbar mit der Zwangslage Serbiens, die der stellvertretende Regierungschef Alexandar Vucic so beschreibt:

„Serbien hat und kann keine Zeit mehr verlieren. Wir brauchen in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum, wir müssen das Land in diesem Jahr in Bewegung bringen, und daher müssen wir auch eine Vereinbarung erzielen.“

Vucic ist Vorsitzender der stärksten serbischen Regierungspartei; er will Serbien in die EU führen und nimmt heute zum ersten Mal an den Gesprächen in Brüssel teil. Zu hoffen bleibt, dass EU und USA die Leidensfähigkeit Serbiens nicht falsch einschätzen; ein Scheitern der Verhandlungen wäre ein massier Rückschlag für den Balkan und Europa; doch selbst bei einem Erfolg sind noch viele Fragen zu lösen, von der Telekommunikation bis zur langfristigen Integration des serbisch-dominierten Norden in den Staat Kosovo.

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