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Der Kosovo zwischen Realität und Trotz in den Augen der Serben

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Berichte Serbien
In Brüssel und am Balkan stehend kommende Woche entscheidende Verhandlungen zur Normalisierung zwischen Serbien und dem Kosovo bevor. Beide haben Interesse an einem Kompromiss; Serbien will ein Datum für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen, der Kosovo eine weitere EU-Annäherung und Visa-Liberalisierung. Dass Belgrad nun eine realistischere Haltung zu seiner ehemaligen Provinz einnimmt, zeigte jüngst Ministerpräsident Ivica Dacic. Er schrieb in einem Artikel, Politiker hätten die Bevölkerung zehn Jahre lang belogen, als man den Kosovo als serbisch bezeichnet habe. Über die Kosovo-Politik Serbiens berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

In dem Zeitungsartikel schrieb Ivica Dacic, kein serbischer Politiker könne ohne Zustimmung der albanisch dominierten Regierung den Kosovo besuchen, der nach der serbischen Verfassung doch Teil Serbiens sei. Papier helfe wenig, entscheidend sei, Sicherheit und Überleben der serbischen Minderheit im Kosovo zu sichern. An anderer Stelle betonte Dacic daher, dass für Serbien die Bildung der Gemeinschaft der serbischen Gemeinden des Kosovo die rote Linie sei, die nicht überschritten werde, selbst wenn es dann kein Datum für EU-Beitrittsverhandlungen gebe. Gerade auch um die Kompetenzen dieser Gemeinschaft geht es bei den Gesprächen zwischen Serbien und dem Kosovo unter EU-Patronanz in Brüssel. Unter diesem Aspekt bewertet der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic Dacics Aussagen so:

„Menschen lieben Aufrichtigkeit, und Dacic sieht nun sehr aufrichtig aus. Das ist wohl ein Versuch, die Internationale Gemeinschaft und die öffentliche Meinung daheim zu beruhigen und beide auf einen Kompromiss einzustimmen. Dacic ist ein sehr geschickter Politiker, denn er hat gleichzeitigt Aussagen getroffen, die dem Eingeständnis des Verlusts des Kosovo eigentlich widersprechen. Das betrifft die Gemeinschaft serbischer Gemeinden im Kosovo.“

In Serbien zeigen Umfragen weiter eine gespaltene Haltung der Bevölkerung. Auf die Frage, ob der Kosovo nicht de facto unabhängig sei, antworteten jüngst mehr als 60 Prozent mit Ja; gleichzeitig betonten mehr als 60 Prozent dass sie den Kosovo wählen würden, müssten sie zwischen ihm und der EU entscheiden. Zu diesem Widerspruch sagt Bogosavljevic:

„Wir pflegen den Mythos, dass das Recht auf unserer Seite ist, und zwar durch die UNO-Resolution 1244, die den Kosovo als Teil Jugoslawiens und damit des heutigen Serbien definiert. Hinzu kommen international angesehene Persönlichkeiten, die immer wieder betonen, dass die Abtrennung des Kosovo Unrecht sei. Dann sagen die Leute, gut, wenn wir den Kosovo auch verloren haben, hergeben dürfen wir ihn nicht. Doch kämpfen würden nur wenige um den Kosovo. Aber die EU ist noch viel weniger sichtbar; außerdem ist heute viel weniger vom EU-Geldsegen die Rede als von Griechenland, Italien, Spanien, Banken- und Euro-Krise. So hat die EU auch nicht mehr den Anreiz von früher.“

Außerdem haben fünf Staat der EU die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkannt; diese Uneinigkeit erschwert Serbien ebenfalls massive Zugeständnisse, obwohl eine Anerkennung des Kosovo durch Serbien derzeit weder in Belgrad noch in Brüssel zur Debatte steht.

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