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Weiter Spannungen zwischen Belgrad und Pristina

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Berichte Serbien
Im März erhielt Serbien von der EU den Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkannt. Anlass dafür war der erfolgreiche Abschluss der ersten Phase eines umfassenden Dialogs zwischen Belgrad und Pristina über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo. Letzter Stolperstein auf diesem war im März die Einigung über die Vertretung des Kosovo bei regionalen Konferenzen. Doch die konkrete Umsetzung dieser Vereinbarung ist bisher gescheitert und auch im Kosovo selbst kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit ethnischem Hintergrund. Über den Stand des Dialogs hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem serbischen Chef-Verhandler Borko Stefanovic gesprochen, hier sein Bericht:

Allein ein Blick auf die vergangenen sieben Tage zeigt, wie gespannt das Verhältnis zwischen Albanern und Serben noch immer ist. So wurde bei einer Explosion im Norden der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica ein Albaner getötet, und ebenfalls in Mitrovica griffen etwa 100 Serben kosovarische Polizisten an, die im Nordteil einen Kontrollpunkt errichten wollten. Im Gegenzug wurde ein Kosovo-Serbe von drei Albanern angegriffen, und in Pristina bewarfen Albaner ein Auto einer serbischen Delegation mit Steinen. Anderseits sind nun wenigstens die zwei Grenzübergänge im Norden zu Serbien offen; und die sieben Vereinbarungen zwischen Belgrad und Pristina, die unter Vermittlung der EU zustande kamen, werden langsam aber doch umgesetzt. Als positives Beispiel nennt in Belgrad der serbische Chef-Verhandler beim Dialog mit dem Kosovo, Borko Stefanovic, die Anerkennung von Universitätsdiplomen:

„Unsere Regierung hat eine Durchführungsverordnung erlassen; demnach kann sich jeder, der neben dem Diplom auch eine notarielle Beglaubigung vorlegt, gleichberechtigt um einen Arbeitsplatz an einer Universität in Zentralserbien bewerben. Natürlich darf diese Beglaubigung keine Symbole des sogenannten Staates Kosovo enthalten, denn das haben wir in Brüssel so vereinbart. Natürlich bedeutet die Bewerbung keine Garantie für auf einen Arbeitsplatz, weil diese Frage liegt in der Autonomie der Universitäten.“

Gar nicht funktioniert bisher die gemeinsame Präsenz bei regionalen Treffen. Sie sollte dadurch ermöglicht werden, dass die Namenstafel vor der kosovarischen Delegation den Namen Kosovo mit einem Sternchen versehen bekam. Dieses Sternchen sollte auf eine Fußnote verweisen, die den Streit zwischen Belgrad und Pristina über die Unabhängigkeit durch eine diplomatische Formel überbrückt. Doch in der Übereinkunft fehlt eine genaue Festlegung, wo diese Fußnote geschrieben stehen muss. Als sie bei einem regionalen Treffen nicht auf der Namenstafel angebracht war, verließ die serbische Delegation den Saal. Dazu sagt Borko Stefanovic:

„Wenn man sagt, dass das nicht auf der Namenstafel stehen muss, weil das nicht vereinbart wurde, dann ist auch nicht vereinbart worden, wo das stehen muss. Worüber haben wir dann verhandelt, wohin stellen wir dann die Fußnote. Dass ist der Versuch, diese Vereinbarung zu unterlaufen, das ist ein diplomatisches Possenspiel, das sogar in einigen Kreisen in Brüssel aufgeführt wurde. Damit wurde in beträchtlichem Ausmaß der Dialog mit Pristina beschädigt und in großem Ausmaß ging auch das Vertrauen zwischen den Verhandlungsparteien und den Vermittlern in diesem Prozess verloren.“

Der Streit um die Fußnote wirkt auf den ersten Blick grotesk, doch er zeigt wieder einmal, wie mühsam die Normalisierung zwischen Serben und Albanern ist. Hinzu kommt, dass in Serbien am sechsten Mai Präsidenten- Parlaments- und Lokalwahlen stattfinden, und der Kosovo daher ein besonders sensibles Thema ist. Sensibel ist auch die Frage, an welcher dieser Wahlen auch die Kosovo-Serben teilnehmen können. Da nach der UNO-Resolution 1244 Lokalwahlen vom Kosovo zu organisieren sind, will Belgrad nur die Parlaments- und Präsidentenwahlen im Kosovo abhalten. Über das Wie wird gerade unter Vermittlung der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verhandelt. Ein Kompromiss dürfte möglich sein, und das wäre immerhin ein positives Zeichen. Nach der Wahl wird die neue Regierung den Dialog rasch wieder aufnehmen müssen, soll Serbien bis Jahresende von Brüssel das ersehnte Datum für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen erhalten.

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