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Serbien zwischen Mladic und Djokovic

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Berichte Serbien
In Belgrad haben gestern Abend Zehntausende Serben ihrem Idol Novak Djokovic einen fürstlichen Empfang bereitet. Mit einem offenen Autobus fuhr der Weltranglisten-Erste im Tennis vom Flughafen ins Stadtzentrum, wo eine Bühne aufgebaut war. Djokovic löste mit seinem Erfolg in Serbien fasst so etwas wie eine Massenhysterie aus, die an den Empfang von Karl Schranz vor fast 40 Jahren in Wien erinnert als der Schifahrer von der Teilnahme an den olympischen Spielen in Sapporo ausgeschlossen worden war. Doch für Serbien ist Djokovic als Werbeträger wohl noch wichtiger, weil der Name des Staates nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien nun durch den Sportler international auch positiv besetzt wird. Aus Belgrad berichtet um den gestrigen Empfang und über die Bedeutung von Djokovic unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Am Sonntagnachmittag saß in Serbien fast jeder Dritte vor dem Fernseher als Novak Djokovic in Wimbledon im Finale gegen den Spanier Rafael Nadal spielte. Weltranglistenerster war Djokovic bereits seit seinem Sieg im Halbfinale. Doch nun galt es als erster Serbe auch noch dieses Turnier zu gewinnen:

Englischer Kommentator:

„Novak Djokoviv Wimbledon Champion and Number one in the World“

In Belgrad kam es sofort nach dem Sieg zu Hupkonzerten; gestern folgte dann der frenetische Empfang des 24-jährigen Tennisspielers vor dem Parlament. Etwa 60.000 warteten auf Nole – Novak Djokovic, der schließlich die Bühne betrat, seinen goldenen Pokal in die Höhe streckte und verkündete:

„Guten Abend Belgrad, guten Abend Serbien; diesen Abend bin ich euer ewiger Schuldner, denn ihr habt es geschafft, mir eine derartige Feier zu bereiten und diesen Tag zum schönsten Tag in meinem Leben zu machen.“

Große sportliche Erfolge sind überall ein Grund zum Feiern. Doch im krisengeschüttelten Serbien kommt noch ein weiterer dazu, den der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic so erläutert:

„In Serbien gibt es nicht viele Erfolge. Das gilt für das Land insgesamt, doch es gibt auch nicht viele Erfolge von Einzelpersonen. Das tägliche Leben ist schlecht, und wirtschaftlich gibt es nur wenig Grund zur Freude. Kommt es dann zu einem großen Erfolg, dann bündelt sich diese gesamte Energie in eine Richtung, die sich auf der Suche nach einem Erfolg aufstaut.

Novak Djokovic hat den Tennissport unter der Jugend unglaublich populär gemacht. Doch der 24-Jährige verkörpert auch ein neues positives Vorbild, das sich von den Helden aus der Kriegszeit drastisch unterscheidet. Während Prozesstage vor dem Haager Tribunal an Zuschauer verlieren, verfolgten den gestrigen Empfang in Belgrad mehr als 3 Millionen Serben vor den Bildschirmen. Wichtig ist dieses positive Idol nicht nur für die Orientierung der Jugend, sondern auch für das Ansehen Serbiens, betont Srdjan Bogosavljevic:

„Man darf nicht vergessen, dass Serbien einfach übrig geblieben ist aus dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien. Alle anderen Republiken haben die ganze Zeit ihren Namen beworben, während Serbien als Staat erst seit fünf Jahren so heißt. Der Sport ist immer gut für das Image, und so ist der enormer Erfolg eine gute Sache auch international, dass jemand den Namen Serbiens führt und mit einer Fähigkeit verbindet, die alle schätzen.“

Den Hauptbeitrag zum Imagewandel werden aber die serbischen Politiker durch Reformen leisten müssen, denn ebenso wie die berühmte Schwalbe, macht auch ein Weltranglistenerster noch keinen Sommer.

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