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Zoltan Dani und die 21 Sekunden

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Berichte Serbien
„Ihr habt nicht mehr als 20 Sekunden, dann kann Euch das feindliche Flugzeug mit seiner Radarabwehrrakete bereits aufspüren“, hat Oberst Zoltan Dani seinen Männern vor Beginn des NATO-Krieges um den Kosovo immer wieder eingeschärft. Seine Soldaten der Dritten Raketendivision befolgten den Rat; und tatsächlich vergingen vom ersten Radarkontakt bis zum Abschuss der amerikanischen F 117 nur 18 Sekunden. Mit dem Abschuss des Stealth-Bombers am 27. März 1999 entzauberte der Ungar im Dienste der jugoslawischen Streitkräfte mit einem Schlag die Mär von der Unsichtbarkeit des US-Kampfflugzeuges. Gedankt hat Zoltan Dani seine militärische Leistung der Staat Serbien nicht. 2004 verließ Dani die serbischen Streitkräfte. Der Vater dreier Kinder betreibt nun eine Bäckerei, arbeitet als Unternehmensberater und ist auch im ländlichen Tourismus in seiner Heimatgemeinde Kovin in der Vojvodina tätig. Aus Anlass des zehnten Jahrestages des Sturzes von Slobodan Milosevic hat unser Balkan-Korrespondenten Christian Wehrschütz mit Zoltan Dani gesprochen und den folgenden Beitrag über das Leben dieses Mannes gezeichnet.

Zoltan Dani ist mittelgroß und hat dunkelbraunes Haar. Er spricht stets mit ruhiger Stimme und strahlt eine liebenswürdige Gelassenheit aus. Dani lebt mit seiner Frau und seinen drei in Belgrad studierenden Kindern in der Gemeinde Kovin, 50 Kilometer östlich von Belgrad. In Kovin wurde Dani auch im Juli 1956 geboren. Der Vater war Ungar, die Mutter Rumänin. Beide waren Schneider. Die Schule besuchte Zoltan Dani in Novi Sad; und dort fiel die Entscheidung über die Berufslaufbahn:

"Wir wohnten damals am Stadtrand von Novi Sad, direkt neben der Donau. Dort war eine Uferböschung und daneben sind die Soldaten immer zum Truppenübungsplatz marschiert. Als Kinder sind wir nebenher gelaufen und haben die Soldaten nachgemacht. Die schöne Disziplin hat mir gefallen, und so habe ich mir gesagt, wenn ich groß bin, werde ich auch Soldaten."

Bereits im Gymnasium war Zoltan Dani ein Bastler, der selbst neue technische Geräte entwickelte. Diese Liebe zur Technik konnte im kommunistischen Jugoslawien in den Streitkräften ebenfalls am besten befriedigt werden. 1978 beendete Dani die Ausbildung an der Luftfahrttechnischen Akademie der Streitkräfte in Belgrad. An seinem ersten Dienstort, 30 Kilometer nördlich von Agram verblieb er bis 1991, bis zum Zerfall Jugoslawiens. Als Aufständische die Kaserne umzingelten, in der seine Raketen-Einheit stationiert war, gelang es ihm Blutvergießen zu vermeiden. Zoltan Dani erinnert sich:

"Sie haben mir damals 500.000 DM geboten, wenn ich ihnen die Kaserne übergebe. Doch ich habe abgelehnt und gesagt, das ist kein Marktplatz, das gehört nicht mir, ich habe das zu schützen. Ich werde Euch in Ruhe lassen, wenn ihr das auch tut. Trotzdem versuchten sie einige Angriffe; darauf warnte ich sie vor unserer Feuerkraft und zeigte ihnen auch die Liste unserer Ziele. Einige befanden sich im Zentrum von Agram. Ich sagte ihnen, der Feuerknopf liegt nicht bei uns, sondern bei Euch, lasst uns in Ruhe, dann werden die Raketen nicht fliegen."

Dani wahrte die Pattstellung, bis auf politischer Ebene eine Einigung über den Abzug seiner Einheit nach Serbien gefallen war. Bis knapp vor Ausbruch des Kosovo-Krieges war der damalige Oberstleutnant in Jakovo bei Belgrad stationiert. Schon lange vom NATO-Angriff überzeugt, hatte Dani ein mathematisches Modell entwickelt, um die Frequenz zu finden, die den angeblich unsichtbaren Stealth-Bomber, die F 117, auf seinem sowjetischen Radarsystem sichtbar machen sollte. Hinzu kam die gründliche Vorbereitung seiner Einheit, um Abwehrraketen feindlicher Flugzeuge zu entgehen; Schweiß spart Blut; diese Soldaten-Weisheit bewies ihre Richtigkeit auch am 27. März 1999 als die „Dritte Raketendivision“ um 2042 die F 117 vom Himmel holte. Zoltan Dani:

"Die acht wichtigsten Tätigkeiten mussten wir binnen 20 Sekunden erledigt haben, dazu zählten, die Erfassung mit dem Radar, der Übergang zur Überwachung, die Festlegung der Zielkoordinaten , die Lancierung, die Überwachung des Flugs der Rakete und schließlich die Bewertung des Treffers. So wurde etwa die F 117 binnen 18 Sekunden erledigt, sprich von der Entdeckung bis zum Treffer vergingen 18 Sekunden. Meinen Soldaten habe ich gesagt, ihr dürft nicht länger als 20 Sekunden brauchen. Je mehr ihr darüber hinaus braucht, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihr morgen Eure engsten Angehörigen treffen könnt. Macht es so, dass diese 21. Sekunde euer ganzes Leben sein wird, das ihr später leben werdet."

Danis 21. Sekunde begann fünf Jahre später. Die serbischen Streitkräfte hatten Dani nach dem Abschuss zwar wie alle anderen Soldaten der Einheit befördert. Aber die eigenmächtige Änderung der Frequenz auf dem Radarsystem, die zum Abschuss führte, wurde ebenso wenig goutiert, wie das eigenständige Denken des Offiziers. Ohne Aussicht auf eine höhere militärische Laufbahn ließ sich Dani im Jahr 2004 pensionieren. Doch eine Pension von etwa 500 Euro war keine Existenzgrundlage, zumal allein das Studium der drei Kinder pro Monat 1.500 Euro kostet. Daher beschlossen Dani und ein Verwandter, eine Bäckerei aufzumachen; Was fehlt, war das Startkapital, doch auch dafür fand der Bastler eine Lösung. Zoltan Dani:

"Wir hatten keine Maschinen, daher haben sie mein Verwandter und ich selbst gebaut. So haben wir den Mischer für den Teig aus einer Betonmischmaschine hergestellt. Hier ist sicher nichts schlecht gemacht worden, weil das Geschirr, in dem der Teig hergestellt wird, rostfrei ist. Alle anderen Gerätschaften habe ich selbst konstruiert. Dort, wo ich nicht wusste wie man etwa Schweißen muss, haben wir Fachleute beauftragt.“

Neben der Bäckerei mit zwei Angestellten ist die Firma mit dem Namen Dani-Familie im dörflichen Tourismus aktiv, berät Jungunternehmer und schreibt Computerprogramme für Firmen. Abgelehnt hat Zoltan Dani das Angebot anderer Staaten, die an seinem militärischen Wissen interessiert waren, obwohl ihm zuletzt 10 Millionen US-Dollar geboten wurden. Sein „Nein“ erläutert Dani so:

"Ein derartiger Weg führt nur in eine Richtung. Wenn man einem Staat in dieser Sache hilft, dann muss man sich auch in die größten Staatsgeheimnisse vertiefen. Ich zweifle daran, dass irgendein Staat Dir dann die Rückkehr gestatten würde. Sollten sie mich aber doch gehen lassen, würden wohl die hier oder irgendein NATO-Staat mich ergreifen und mich fragen, was ich dort gesehen habe. Ich hätte sicher keinen Frieden oder gar auch kein Leben mehr."

Mit dem Soldatenberuf hat der pensionierte Oberst also abgeschlossen. Wie sieht er aus 11 Jahren Distanz den Krieg:

"Auch ein einfacher Major weiß, dass man ohne Verbündete nicht in den Krieg ziehen kann. Doch das haben wir getan; das war ein völlig falscher Zugang zur Verteidigung des Landes, der bereits von vorne herein zur Niederlage verurteilt war. Doch wenn es schon dazu kam, hätte man ausharren müssen. Doch als sich die internationale öffentliche Meinung immer mehr auf unsere Seite stellte, akzeptierte unsere Führung Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Das war wiederum ein Fehler.“

Am 5. Oktober vor zehn Jahren stürzte Slobodan Milosevic und demokratische Kräfte übernahmen in Serbien die Führung. Zoltan Dani hat die Reformkräfte nicht unterstützt; ihnen wirft er vor, den Westen zum Angriff auf Serbien ermuntert zu haben. Seine Haltung beschreibt er so:

"Ich hatte kein Vertrauen in diese Personen, die dann an die Macht kamen, doch ich wollte auch das nicht, was Milosevic getan hat. Ich wurde völlig apolitisch, ich nehme an keiner Wahl mehr teil; ich sehe derzeit einfach nicht die richtige Kraft, die einen Staat schaffen kann, der uns allen ein normales, menschenwürdiges Dasein ermöglicht, gemäß der derzeit hier herrschenden Standards."

Diese Standards müssten besser werden. Denn nur ein entwickeltes Serbien dürfe der EU beitreten, ist Dani überzeugt:

"Wir werden die Bedingungen dafür schaffen, dass die EU wünscht, dass wir Mitglied werden. Dann werden wir gleichberechtigte Beziehungen haben und gleichberechtigt verhandeln können. Wir werden uns bemühen, auch für die EU von Nutzen zu sein, und ihr nicht zur Last zu fallen."

Doch bis dahin ist der Weg noch weit. Und wie sieht der ehemalige Oberst, der zu einer Fußnote der Kriegsgeschichte wurde, sein Leben in dieser 21. Sekunde nach dem Krieg? Zoltan Dani:

"Ich denke, dass meine Aufgabe auf dieser Welt noch nicht vollendet ist. Denn wir haben drei studierende Kinder, und die brauchen noch unsere Hilfe, dass sie ihre ersten selbständigen Schritte im Leben setzen können."

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