Westerwelle und das Tauziehen um die Resolution zum Kosovo
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Berichte Serbien
Der serbische Resolutionsentwurf über den die UNO-Generalversammlung abstimmen soll, enthält zwei Punkte, die für die USA und die Mehrheit der EU-Staaten nicht akzeptabel sind. Das ist zum einen die Feststellung, dass die einseitige Abspaltung kein annehmbarer Weg für die Lösung territorialer Fragen sein kann. Zweitens fordert Serbien Verhandlungen mit dem Kosovo über alle offenen Fragen, und das impliziert nach Belgrader Lesart neue Gespräche über den Status des Kosovo. Für Washington und Brüssel ist die Status-Frage jedoch kein Thema mehr. Gefordert werden stattdessen Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina über praktische Probleme. Diese Position vertritt auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, der zu einem eintägigen Besuch in Belgrad ist. Warum Berlin den serbischen Resolutionsentwurf ablehnt, erklärt der Leiter der Balkan-Abteilung im deutschen Außenministerium Nikolaus Graf Lambsdorff so:
"Wenn Serbien mit seiner Resolution durchkäme, dann wären sie ja selber gebunden, dann kämen sie ja überhaupt nicht mehr runter von dem Thema, selbst wenn das Wort Status im Resolutionstext nicht auftaucht, in Wahrheit natürlich doch anstreben zu müssen Status-Gespräche mit dem Kosovo, und das ist ausgeschlossen. Verlieren sie mit ihrer Resolution, würde es das wahrscheinlich den Reformpolitikern in Belgrad erleichtern, denn dann könnten sie immerhin sagen, wir haben bis zum letzten Blutstropfen gekämpft, aber die internationale Gemeinschaft behandelt uns ja ständig schlecht, aber es hilft nichts, nun ist das Spiel in New York zu Ende, jetzt müssen wir sehen, wie wir irgendwie mit dem Kosovo klarkommen; aber auch dafür sehe ich bisher überhaupt keine Anzeichen."
Deutschland und andere führende EU-Staaten wollen daher gemeinsam mit den USA verhindern, dass der serbische Entwurf bei der UNO in New York eine Mehrheit findet. Aus europäischer Sicht besteht dabei das zusätzliche Problem, dass fünf Staaten der EU die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkannt haben. Auf diese Uneinigkeit setzt unter anderem auch Serbien, dessen Außenminister Vuk Jeremic in New York bereits mit Vertretern von mehr als 50 Staaten gesprochen hat, um für Belgrads Position zu werben. Diese Vorgangsweise ist in Serbien nicht unumstritten. Proeuropäische Oppositionsparteien und kleinere Partner in der Regierung kritisieren den Alleingang des stärksten Koalitionspartners, der Demokratischen Partei von Staatspräsident Boris Tadic. Denn der Resolutionsentwurf wurde in New York ohne Rücksprache mit Brüssel und Washington eingebracht. Dieser Umstand und die Weigerung Belgrads, die Realität der Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen, wirken sich zunehmend negativ auf die EU-Perspektive Serbiens aus. Das unterstreicht auch der deutsche Diplomat Nikolaus Graf Lambsdorff:
"Wir haben relativ direkt eine Verbindung hergestellt zwischen der dann jetzt im Herbst anstehenden Frage der Weiterleitung des serbischen Beitrittsgesuchs an die Kommission auf der einen Seite und dem Beginn von Gesprächen zwischen Belgrad und Pristina auf der anderen Seite. Wir, die EU und wir selber, Deutschland, stehen buchstäblich Gewehr bei Fuß, um bei der Anbahnung dieser Gespräche - in welcher Form auch immer - zu helfen. Aber wir haben bisher keinerlei Indizien dafür, dass Serbien dieses Gespräch mit Pristina suchen will, deswegen glaube ich, dass auf der ganzen Balkan-Reise des Ministers der wichtigste Termin ein Vier-Augen-Gespräch Tadic mit Westerwelle ist."
Ob dieses Gespräch viel bringen wird, darf bezweifelt werden. Einerseits lebt Belgrad offensichtlich in der Illusion, doch noch eine Teilung des Kosovo erzwingen zu können. Andererseits kalkuliert die serbische Diplomatie, dass der Weg zur EU-Mitgliedschaft ohnehin noch etwa zehn Jahre dauern wird, so dass die derzeitige Führung von einer Realpolitik kaum profitieren würde. Außerdem lässt sich mit dem Kosovo darüber hinwegtäuschen, dass Serbien vor allem wegen seines großen Reformstaus noch sehr weit von der EU entfernt ist.