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Serbien beantragt heute den Beitritt zur EU

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Berichte Serbien
Serbien wird heute offiziell die Aufnahme in die Europäische Union beantragen. Das Beitrittsgesuch wird Staatspräsident Boris Tadic in Stockholm Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt überreichen, weil Schweden noch bis Jahresende die EU-Präsidentschaft inne hat. An der Zeremonie nimmt praktisch die gesamte serbische Staatsführung teil, die diesen Beitrittsantrag als historischen Schritt wertet. Schließlich ist es noch keine zehn Jahre her, das in Belgrad der Autokrat Slobodan Milosevic gestürzt worden. Was dieses Gesuch bedeutet und welche Chancen Serbien hat, eine positive Antwort zu erhalten, darüber berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Auf dem Weg Richtung EU hat Serbien jüngst wahrlich Erfolge zu verzeichnen. Erstens gelang es Anfang Dezember, den Widerstand der Niederlande aufzuweichen und das Interimsabkommen zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU in Kraft zu setzen. Die Blockade dauerte ein Jahr, weil Serbien den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic noch nicht gefasst hat. Doch das Haager Tribunal äußerte sich positiv, und die Niederlande gaben dem Druck der übrigen EU-Staaten teilweise nach. Der zweite Erfolg Serbiens liegt darin, dass seine Bürger seit drei Tagen ohne Visum in den Schengen-Raum reisen dürfen; damit endete eine Isolation, die 18 Jahre gedauert hat. Mit dem heutigen EU-Beitrittsantrag will Serbiens Führung diese Dynamik halten und den Umstand nutzen, dass freundlich gesonnene Staaten die EU-Präsidentschaft inne haben, bzw. übernehmen werden. In diesem Sinne sagte Präsident Boris Tadic:

„Wir wollen den Antrag auf den Kandidatenstatus noch während der schwedischen EU-Präsidentschaft stellen, damit Serbien unter der spanischen Präsidentschaft eine neue Beschleunigung erfährt. Denn wir haben in der Vergangenheit zu viel Zeit verloren, und zwar ein ganzes Jahrzehnt, das wir aufholen wollen. Wenn wir Serbien und seine Reformen mit anderen Ländern zu dem Zeitpunkt vergleichen als sie den Kandidatenstatus beantragten, so ist das einfach unvergleichbar.“

So hat auch Albanien bereits den EU-Beitritt beantragt, und bei den Reformen braucht Serbien den Vergleich nicht zu scheuen. Albaniens Regierung stellte den Antrag im Frühsommer vor der Parlamentswahl; auch in Serbien spielt der Wahlkalender eine Rolle. Eine ersthafte Behandlung des Antrags durch die EU wird vor Sommer 2010 nicht möglich sein, weil die Niederlande bis dahin das Stabilisierungsabkommen blockieren wollen, sollte Mladic nicht früher gefasst werden. Dann braucht die EU-Kommission zur Stellungnahme noch etwa ein Jahr, so dass der Status eines Beitrittskandidaten Ende 2011 verliehen werden könnte. Dann steht Serbien de facto knapp vor der Parlamentswahl und davon hofft Boris Tadic zu profitieren. Seine Partei hat jüngst eine herbe Niederlage gegen die Opposition einstecken müssen. Diese Rechnung kann auch nur dann aufgehen, wenn Serbien bis dahin einen modus vivendi mit dem Kosovo gefunden hat und - wenn Tadics Kabinett solange durchhält; das Budget für 2010 wurde gestern im Parlament nur mit hauchdünner Mehrheit durchgebracht.

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