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Hart erarbeitete Visafreiheit für Serbien

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Berichte Serbien
Das Ghettodasein hat ein Ende,– so bejubelten nicht nur viele Serben die Aufhebung der Visa-Pflicht durch die EU. Ab 19. Dezember werden Serben aber auch Mazedonier und Montenegriner frei in den Schengen-Raum reisen können. Das haben die Innenminister der EU in Brüssel beschlossen. Somit kehrt die Reisefreiheit fast zwei Jahrzehnte nach dem blutigen Zerfall Jugoslawiens zum Teil in diese Region zurück; denn unter Tito bestand für Jugoslawien als einziges kommunistisches Land bereits Visafreiheit für den Westen. Weiter darauf warten müssen Bosnien, Albanien und der Kosovo; sie haben noch nicht all die Standards der EU erreicht, die etwa Serbien bereits erfüllt hat, und über die nun unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet:

Das lange Anstellen um ein Visum war für die Serben der sichtbarste Ausdruck der Isolation von Europa. Hinzu kam das Gefühl der Erniedrigung durch Papierkram und umfassende Kontrollen. Die Visaliberalisierung empfinden daher viele Serben als das definitive Ende der Isolation, in die Serbien durch die Politik des Autokraten Slobodan Milosevic geraten war. Doch die Reisefreiheit mussten sich Serbien, Mazedonien und Montenegro hart erarbeiten. Ein ganzes Bündel an Maßnahmen – von neuen Pässen bis hin zum verstärkten Kampf gegen die Organisierte Kriminalität - musste verabschiedet werden, ehe die Visa-Liberalisierung Wirklichkeit werden konnte. Dazu zählen die Modernisierung der Grenzübergänge und die Änderungen der Grenzkontrollen, erläutert in Belgrad Innenminister Ivica Dacic:

„Unsere Grenzen kontrollieren nun nicht mehr die Streitkräfte, sondern die Polizei. Außerdem sind wir zur integrierten Grenzkontrolle übergegangen; d.h., dass einige Ministerien gemeinsam an den Übergängen arbeiten; neben der Polizei sind das das Finanzministerium durch den Zoll, das Landwirtschaftsministerium durch die veterinärmedizinische Inspektion usw. Zweitens haben wir die technische Ausstattung modernisiert. An allen Übergängen haben wir nun Lesegeräte für biometrische Pässe; außerdem haben wir einige moderne Grenzübergänge gebaut.“

Die Reisefreiheit gilt nur für Inhaber neuer biometrischer Pässe, die seit Juli in Belgrad gedruckt werden. Mit einem Chip ausgestattet entspricht der Pass dem modernsten Stand der Technik, der in Europa zu finden ist. Streng ist die Prozedur der Ausstellung: um Fälschung so weit wie möglich zu verhindern werden Fingerabdrücke ebenso verlangt wie die elektronische Unterschrift. Mit diesen neuen biometrischen Pässen verbunden sind noch viele andere Maßnahmen; dazu sagt Innenminister Dacic:

„.Auf diese neuen Pässe bezieht sich auch eine ganze Reihe neuer Gesetze; dazu zählen: das Gesetz über Ausländer, über die Kontrolle der Grenzen, das Asylgesetz, sowie Gesetze, die das Justizwesen betreffen. Dazu zählt etwa das Gesetz über die Enteignung von Eigentum, das durch Gelder aus krimineller Herkunft erworben wurde.“

Seit Juli des Vorjahres hat Serbien 1,4 Millionen neue Pässe ausgestellt, und die Nachfrage ist weiter groß; Ivica Dacic:

„Bis jetzt haben wir bereits mehr neue Pässe ausgestellt als unsere Bürger früher überhaupt besessen haben. Wir erwarten, dass schließlich zwischen 2,5 und 3 Millionen Bürger einen Pass haben werden. Gleichzeitig haben wir die Gültigkeit des alten Passes noch um ein Jahr verlängert, und zwar vor allem wegen unserer Bürger, die im Ausland leben und nicht die Gelegenheit haben, bis Jahresende einen neuen Pass zu bekommen. Doch für diese alten Pässe wird man auch weiter ein Visum brauchen.“

Drei Millionen Passinhaber, das entspricht etwa 40 Prozent der Bevölkerung. Denn die Armut ist nach wie vor ein großes Hindernis für Reisefreiheit. Ihr Genuss bleibt auch den Kosovo-Serben vorenthalten; sie haben zwar Anspruch auf neue Pässe, brauchen aber weiter ein Visum, weil der gesamte Kosovo noch nicht die EU-Standards erreicht hat. Diesen Preis musste Serbien zahlen, doch auch in diesem Fall steht den Serben in Serbien das Hemd der Reisefreiheit näher als der Rock des Nationalstolzes, der eine Normalisierung der Beziehungen bisher mit verhindert hat.
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