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Der Kampf um das Mediengesetz in Serbien

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Berichte Serbien
In Serbien soll das Parlament am kommenden Montag eine höchst umstrittene Novelle zum Informationsgesetz beschließen. Es sieht drastische Geldstrafen im Falle von Verleumdungen vor, und enthält auch noch andere Bestimmungen, die die unternehmerische Freiheit von Herausgebern beträchtlich einschränken könnten. Kritik an dem Gesetzesentwurf der Regierung haben beide Journalistenverbände in Serbien geübt, die in die Ausarbeitung der Novelle nicht eingebunden waren. Aus Belgrad berichtet über die umstrittene Novelle und ihre medienpolitischen Hintergründe unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Auch neun Jahre nach dem Sturz des Autokraten Slobodan Milosevic ist Serbien ein Land, in dem Rechtsstaat, politische Kultur und das Niveau des Journalismus nur als unterentwickelt bezeichnet werden können. Dieser Unterentwicklung soll nun durch das untaugliche Mittel eines novellierten Informationsgesetzes gegengesteuert werden. Es sieht drakonische Strafen für Medien vor, die eine Person einer Straftat beschuldigen ehe noch ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Ein Blatt, dass sich dieser Tat schuldig macht, soll als Strafe den Gegenwert bezahlen, den die verkaufte Auflage an diesem Tag erbrachte, an dem die Anschuldigung erschien. Auf diese Weise soll vor allem die nationalistische Boulevardpresse getroffen werden, die nicht zuletzt von der Aufdeckung tatsächlicher oder vermeintlicher Fälle von Korruption und Misswirtschaft lebt. Formuliert haben die Novelle denn auch die Lieblingsfeinde des Boulevards, die Wirtschaftspartei G17-Plus und ihr Vorsitzender Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic. G17-Plus kontrolliert als Regierungspartei seit Jahren den Finanzsektor Serbiens. Die Korruptionsvorwürfe gegen diese Partei sind Legion und werden nicht immer durch klare Beweise untermauert. Trotzdem besteht die Gefahr, dass durch die Gesetzesnovelle der investigative Journalismus durch Autozensur in den Medien ersetzt werden soll – und das in einem Land mit blühender Korruption und einem ebenso ausgeprägten Mangel an Zugang zu sensiblen Informationen. Wie anlassbezogen die Novelle ist, zeigt die Bestimmung, wonach Medien nicht mehr erscheinen dürfen, wenn ihre Konten länger als 90 Tage blockiert sind. Dazu sagt Nadesda Gace, von der serbischen Journalisten-Organisation NUNS:

„Nehmen wir das Konkursrecht; warum will man nur Medien sofort auslöschen. In Serbien gibt es mehr als 65.000 Firmen, die in Konkurs sind; was ist mit ihnen. Warum will man nur rigoros gegenüber den Medien sein. Das plant man nur wegen jener Boulevardmedien, die man auslöschen will. Doch man soll die bestehenden Möglichkeiten nutzen, um zu zeigen, dass das Justizsystem in Serbien funktioniert.“

Doch Konkursrecht und Justizsystem funktionieren eben nicht in Serbien. Daher haben Gerichte in Medienprozessen oft nur minimale Geldstrafen verhängt. Und höhere Strafen umgingen Herausgeber dadurch, indem sie das Eigentum an der Zeitung auf eine neue Firma übertrugen und die alte in Konkurs schickten. Doch diese Schwächen können nicht durch ein restriktives Mediengesetz behoben werden, dass die journalistische Freiheit in drastischer Weise gefährdet. Gegen dieses Gesetz sind denn die meisten Medien, die Opposition aber auch die ehemaligen Milosevic-Sozialisten, der kleinere Partner in der proeuropäischen Regierung. Die größeren Koalitionspartner, die DS von Staatspräsident Boris Tadic und G17-Plus brauchen für die Verabschiedung der Novelle im Parlament daher die Stimmen der kleinen oppositionellen Liberalen Partei. Sie ist in einem Dilemma; denn die Novelle widerspricht klar ihren Prinzipien; anderseits zählen die Liberalen ebenfalls zu den Lieblingsgegnern des Boulevards. Ob und wenn ja unter welchen Bedingungen die Liberalen für das Gesetz stimmen werden, wird sich erst am Montag zeigen.

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