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Interview mit Serbiens Nationalbankpräsident zur Krise

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Berichte Serbien


Bis zu drei Milliarden Euro an Krediten erhofft sich Serbien vom IWF, vom Internationalen Währungsfonds. Verhandlungen darüber haben heute in Belgrad begonnen. Serbien braucht das Geld, um die Liquidität des Staates zu sichern; denn Serbien ist von Finanz- und Wirtschaftskrise ebenso massiv getroffen wie alle anderen Staaten des Balkan. Leiter der serbischen Verhandlungsdelegation ist der 41-jährige Nationalbankpräsident Radovan Jelasic. Im Gegensatz zu vielen anderen Nationalbanken hat Jelasic den Geschäftsbanken keine freie Hand bei der Kreditvergabe gelassen. Er hält auch von Neuverschuldungen nur dann etwas, wenn gleichzeitig tiefgreifende Reformen erfolgen; diesen Maßstab sollte auch die EU anlegen, die jedoch bei ihrer Hilfe zu langsam und zu unklar sei. Mit Radovan Jelasic hat in Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen, und folgenden Bericht gestaltet:

Ein drastisches Sinken von Steuereinnahmen und Industrieproduktion und trotz allem noch ein hohes Handelsbilanzdefizit: all das sind Anzeichen dafür, wie massiv die Krise auch in Serbien ist. Daher verhandelt Belgrad neuerlich mit dem Internationalen Währungsfonds über zusätzliche Kredite; denn Geld am internationalen Finanzmarkt ist sehr teuer geworden, erläutert Radovan Jelasic, Präsident der Nationalbank Serbiens:

„Serbien konnte sich vor zweieinhalb Jahren am internationalen Finanzmarkt verschulden mit einer Marge von 1,15 bis 1,5 Prozent; derzeit bezahlt Griechenland eine doppelt so hohe Marge, während Serbien jetzt einen Zinssatz von 8 bis 10 Prozent in Euro und von etwa 10 Prozent in Dollar zahlen müssten.“

Doch die begehrten zwei bis drei Milliarden Euro zur Bewahrung der makroökonomischen Stabilität wird Serbien vom IWF nur unter klaren Auflagen erhalten. Sie bewertet Jelasic im Grunde positiv:

„Alle Regierungen müssen sich fragen, ob dieser Umfang an Ausgaben, Pensionen und Löhnen aufrechterhalten werden kann; gleichzeitig dürfen sie die Investitionen nicht beschneiden; natürlich müssen die Regierungen auch sehen, in welchem Ausmaß das Problem durch höhere Einnahmen gelöst werden kann; das ist natürlich nicht populär; doch die Bevölkerung muss verstehen, dass das, was heute geschieht, eine allgemeine Anpassung an die Realität ist. Wer diese Anpassung nicht vollziehen oder durch zusätzliche Finanzierungen lösen will, muss wissen, was das bedeutet: das bedeutet nur eine zusätzliche Geldentwertung, Inflation und Verschuldung; doch die Rahmendbedingen werden nicht binnen drei oder sechs Monaten besser; gebe Gotte, dass sie nicht noch schlechter werden. Ich fürchte jedenfalls, dass es vor dem Jahre 2011 nicht zu einer spürbaren Besserung in den Ländern Mittel- und Osteuropas kommen wird.“

Und wie bewertet Jelasic das Krisenmanagement der EU:

„Das große Problem dieser EU besteht darin, dass zu viele Köche den Brei verderben; daher dauert alles zu lange. Ich schaue jeden Tag zuerst, was mit den österreichischen und dann mit den italienischen und deutschen Banken geschieht. Doch im Unterschied zu anderen Ländern, dauert die Umsetzung der Programme zu lange. Ich bin überzeugt, dass von vielen Regierungen und Banken noch immer viel geblufft wird, was die wirkliche Lage betrifft. Gleichzeitig müsste die EU viel proaktiver sein. Brüssel sollte klar machen, unter welchen Bedingungen die Bereitschaft zur Hilfe besteht. Diese Hilfe sollte von den Programmen des Internationalen Währungsfonds abhängen. Ich garantiere ihnen jedenfalls, dass bis zum Jahresende sich alle Länder des Westbalkan beim IWF und bei EU um zusätzliche Hilfe anstellen werden.“

Ausdrücklich warnt Radovan Jelasic davor die Krise in Ost- und Südosteuropa zu unterschätzen:

„Die Welt musste lernen, wie diese Station heißt, über die Gas von Russland in die Ukraine gepumpt wird; daher sollte sich jeder an den Jänner erinnern, der glaubt, dass diese Region nicht oder weniger wichtig ist. Denn all das im Jänner war viel weiter östlich als Serbien, Bulgarien oder Rumänien, hatte aber trotzdem enormen Einfluss auch auf das tägliche Leben.“

So beträgt die Auslandsverschuldung Serbiens 22 Milliarden Euro; davon entfallen mehr als 15 Milliarden auf den privaten Sektor; davon sind 12 Milliarden Kredite, die serbische Firmen bei den Mutterbanken ausländischer Banken bekommen haben. Wie viele Kredite davon auf Mutterbanken in Österreich entfallen ist ebenso offen wie die Frage nach der Bonität der Kreditnehmer in Serbien.

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