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Zusammenarbeit bei der Jagd nach Kriegsverbrechern

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Berichte Serbien
Seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor acht Jahren ist der Weg Serbiens Richtung EU immer wieder blockiert worden, weil Belgrad nicht umfassend mit dem Haager Tribunal zusammen arbeitet. So blockieren nun vor allem die Niederland den Weg Belgrads Richtung Brüssel, weil der ehemalige General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, noch nicht gefasst ist. Gefasst wurde aber in diesem Jahr in Belgrad bereits Radovan Karadzic. Serbien hat auch deshalb das Gefühl, dass seine Anstrengungen nicht entsprechend gewürdigt werden, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen. Über Serbiens Zusammenarbeit mit dem Tribunal aber auch mit den anderen Staaten der Region bei der Suche nach mutmaßlichen Kriegsverbrechern berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz

Der Fall des flüchtigen Ratko Mladic darf nicht darüber hinweg täuschen, dass Serbien bereits 46 Personen, darunter viele hochrangige Politiker und Offiziere, an das Haager Tribunal ausgeliefert hat. Auch auf anderen Gebieten zeigt Serbien, dass es juristisch die Aufarbeitung der Vergangenheit ernst nimmt. Archive wurden geöffnet und im Jahre 2003 eine Sonderstaatsanwaltschaft und ein Sondergericht für Kriegsverbrechen geschaffen. Bisher wurden 25 Anklagen gegen mehr als 80 Personen erhoben, doch erst fünf wurden rechtskräftig verurteilt. Mehrere hundert Zeugen hat diese Behörde vernommen, mehr als hundert allein für das Tribunal, dessen Vertreter an allen Phasen der Verfahren teilnehmen dürfen. Gut entwickelt hat sich auch die Zusammenarbeit mit anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Dazu sagt Sinisa Vazic, der Präsident des Kreisgerichtes für Kriegsverbrechen in Belgrad:

„Es gibt eine Reihe von bilateralen Verträgen über den Zugang zu Archiven, über die Zusammenarbeit der Anklagebehörden in der Region sowie entsprechende Rechtshilfeabkommen. Zu erwähnen ist auch, dass in einem Fall sogar ein gemeinsames Team zur Untersuchung eines Verbrechens gebildet wurde. Unterzeichnet wurde auch ein Vertrag zwischen den Behörden, die Zeugen und Geschädigten in Bosnien und Serbien Hilfe leisten.“

Wie entscheidend diese regionale Zusammenarbeit für die Durchführung von Verfahren ist, erläutert Vida Petrovic Skero, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes in Serbien:

„In der Regel wurden diese Verbrechen vor mehreren Jahren begangen; die Sammlung von Beweisen ist daher schwierig; notwendig sind die Zusammenarbeiten mit anderen Staaten und die wechselseitige Hilfe. Das betrifft vor allem die Sammlung von Beweisen und den Zeugenschutz. Oft ist es sehr schwierige objektive Informationen zu sammeln; schwierig ist es, Zeugen zu finden, die bereit sind auszusagen; doch diese Zeugen ziehen ihre Bereitschaft dann nicht selten zurück.“

Das Paradebeispiel für die Einschüchterung von Zeugen bilden die Prozesse gegen hochrangige ehemalige Kommandanten der UCK, der albanischen Freischärlerbewegung im Kosovo. Dabei spielten möglicherweise auch Vertreter der internationalen Gemeinschaft eine unrühmliche Rolle. Mit den größten Problemen bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen hat aber Bosnien und Herzegowina zu kämpfen. Die Zahl potentieller Täter wird auf mehr als zehntausend geschätzt; ihre Aburteilung erschwert die Spaltung des Landes in einen serbischen und einen kroatisch-bosnjakischen Teilstaat. Was das bedeutet, erläutert Meddzida Kreso Präsidentin des Gerichts für Kriegsverbrechen in Sarajewo so:

„Es gibt keine einheitliche Statistik über die Zahl und Art der offenen Fälle von Kriegsverbrechen in ganz Bosnien und Herzegowina. Außerdem gibt es keine einheitliche Gerichtspraxis auf dem Niveau der Teilstaaten und des Gesamtstaates was diese Fälle betrifft. Die Spaltung des Justizwesens und das Fehlen der Vereinheitlichung der Gerichtspraxis führten zu widersprüchlichen Positionen diverser Gerichte in denselben Rechtsfragen. Grund dafür ist vor allem das Fehlen eines Obersten Gerichtes auf der Ebene des Gesamtstaates und die Anwendung mehrerer Strafrechte in Bosnien und Herzegowina.“

Hinzu kommt das tiefe Misstrauen zwischen Serben, Kroaten und Bosnjaken, das von Politikern noch angeheizt wird. So sagte jüngst der Präsident des serbischen Teilstaates, Milorad Dodik, er habe kein Vertrauen in bosnjakische Richter, die Verfahren gegen Serben führen. Die Aussöhnung im ehemaligen Jugoslawien wird somit noch weit länger dauern als die juristische Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit, die national wie international nicht von berauschender Effizienz geprägt ist.

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