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Karadzic und die Folgen für die neue Regierung in Serbien

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Berichte Serbien
Die Verhaftung und Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic hat Serbien nicht nur der EU ein großes Stück näher gebracht. Darüber hinaus war dieser Schritt der erste große Test für die neue Regierung, die seit Juni im Amt ist. Denn unter Führung der Demokratischen Partei des prowestlichen Staatspräsidenten Boris Tadic sind in der Regierung erstmals wieder auch die Sozialisten vertreten. Es ist dies die Partei des früheren serbischen Autokraten Slobodan Milosevic, der vor mehr als zwei Jahren in einer Zelle des Haager Tribunals gestorben ist. Der nunmehrige Vorsitzende der Sozialisten, Ivica Dacic, war unter Milosevic viele Jahre Pressesprecher der Partei. Doch unter Dacics Führung sind die Sozialisten bestrebt, zu einer zeigemäßen Linkspartei zu werden. Daher bildeten sie auch die Regierung mit den proeuropäischen Kräften. Wie stabil diese Koalition nun nach der Auslieferung von Radovan Karadzic ist, hat in Belgrad unser Korrespondent Christian Wehrschütz recherchiert; hier sein Bericht:

Die Koalition des prowestlichen Bündnisses unter Führung der Demokratischen Partei mit den Sozialisten ist eine Koalition ehemals erbitterter Gegner. Denn in der Ära von Slobodan Milosevic, standen beide Parteien buchstäblich auf der jeweils anderen Seite der Barrikade. Gefunden haben sich Demokraten und Sozialisten unter dem Ziel, Serbien so rasch wie möglich in die EU zu führen. Das sichert den Demokraten die Macht, und gibt den Sozialisten eine Zukunftsperspektive. Die Parteiführung hofft auf Erfolge in der Regierung, die das Überleben der Partei sichern soll, die derzeit eine überalterte Wählerschaft aufweist. Trotzdem ist dieser Kurswechsel für die Anhänger der Sozialisten nur schwer zu verkraften; nicht zuletzt wegen der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, die die Partei akzeptieren musste. Weit weniger Probleme haben die Wähler der Demokraten, erläutert in Belgrad der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic:

„Die Zusammenarbeit mit den Sozialisten sehen die Anhänger der Demokratischen Partei als pragmatischen und erzwungenen Schachzug. Er wird nicht so stark angekreidet, dass er zur Abwanderung von Anhängern führen könnte. Im Gegenteil, es kommen sogar neue Wähler hinzu, weil die Partei staatsmännischen Charakter und Verantwortung dadurch gezeigt hat, dass sie von einigen ihrer Prinzipien Abstand genommen hat.“

Die neue Regierung profitiert auch davon, dass sich die nationalistischen Parteien in ihrer Oppositionsrolle erst zu Recht finden müssen. Hinzu kommt, dass der Status des Kosovo de facto gelöst ist, und binnen vier Jahren keine Wahlen in Sicht sind. Die Regierung kann sich somit weitgehend auf interne Reformen konzentrieren. Die Chancen, aber auch die Herausforderungen beschreibt die liberale Intellektuelle Sonja Licht so:

„Serbien kann in einer weitfortgeschrittenen Phase der Beitrittsverhandlungen mit der EU sein; das ist eine reale Option, ebenso wie die Visafreiheit mit der EU. Serbien könnte auch wirtschaftlich relativ gut dastehen, wenn die erwarteten Investitionen tatsächlich kommen. Doch all das setzt eine sehr verantwortungsvolle Regierungsarbeit voraus. Ohne ernsthafte Reformen könnten wir noch immer keinen Rechtsstaat und ein hohes Niveau an Korruption und Kriminalität haben, und das zehrt die Gesellschaft selbst auf. Wir müssen erkennen, dass wir jetzt eine Chance haben, die nicht sehr lange bestehen wird. Daher müssen wir unsere Ressourcen stärken und uns sehr bemühen, unsere begabte Jugend so weit wie möglich in diese Reformen einzubinden.“

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