Reaktionen auf die Verhaftung von Karadzic
Radio
FJ7
Berichte Serbien
In allen serbischen Medien war die Festnahme von Radovan Karadzic natürlich der Aufmacher. Die Tageszeitungen titelten schlicht: „Karadzic verhaftet“. Nur ein ultranationalistisches Blatt schrieb: „Die Regierung unter Präsident Boris Tadic beschämt wieder Serbien, Serbisches Vieh verhaftete Radovan.“ Diese Meinung teilten etwa 100 Demonstranten in Belgrad: Einige nahm die Polizei fest, doch die Kundgebung war mager und keineswegs machtvoll. Dieser Eindruck kann auch täuschen; eine Straßenbefragung ergab jedenfalls ein anderes Bild:
„Eine Schande für Serbien.“
„Das ist die größte Dummheit, die das serbische Volk begehen konnte; warum verhaftet man nicht Albaner und Bosnjaken, sondern nur Serben.“
so gering offensichtlich die Bereitschaft zu Demonstrationen ist, so weit verbreitet ist das Gefühl, dass das Haager Tribunal ein antiserbischer Gerichtshof ist. Dazu beigetragen hat das Tribunal selbst, und zwar durch zwei Freisprüche, die unter Richtern des Tribunals selbst umstritten sind. Der eine betrifft einen Kosovo-Albaner, der andere einen Bosnjaken. Beide werden von Belgrad der Massenmorde an Serben beschuldigt. Diese Urteile haben eine Meinung gefestigt, die der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic so beschreibt:
„Die Haltung gegenüber dem Haager Tribunal ist ziemlich stabil: großes Misstrauen, wenig positive Einstellungen, doch kein Widerstand gegen die Zusammenarbeit. Sie wird als Schlüssel für die tiefere Zusammenarbeit Serbiens mit Europa empfunden.“
Dieser Wille nach einem Beitritt zur EU hat auch zum knappen Sieg der proeuropäischen Kräfte bei der Präsidenten- und der Parlamentswahl im Frühjahr beigetragen. Daher glaubt der Intelektuelle Iwan Vejvoda, dass die Mehrheit die Verhaftung von Karadzic mit Erleichterung aufgenommen hat:
„Die Menschen wissen, in welchem Ausmaß Serbien eine Geißel dieser Person war. Die Tatsache, dass einer der wichtigsten Angeklagten auf dem Weg Richtung Den Haag sein wird, bedeutet, dass Serbien das Tor für seine Zukunft aufgestoßen hat. Das betrifft auch das Wirtschaftswachstum und die Gewissheit für die Menschen, dass sie ihre Kinder werden ernähren können.“
Diese Hoffnung auf ein besseres Leben muss aber Realität werden, damit sich Serbien dauerhaft stabilisieren kann, von einer Aufarbeitung der Vergangenheit und einer Aussöhnung in der Region ganz zu schweigen, die mit juristischen Mitteln nicht zu erreichen sein wird.