Wo steht Serbien auf dem Weg Richtung EU
Radio
MiJ
Berichte Serbien
So mühevoll die Ratifizierung des SAA, des Abkommens über Stabilisierung und Assoziation, in Serbien auch war, der Befreiungsschlag Richtung EU steht noch bevor. Denn die EU wird das Abkommen erst in Kraft treten lassen, wenn das Haager Tribunal Serbien die volle Zusammenarbeit bescheinigt. Was das konkret bedeutet, erläutert in Belgrad Tanja Miscevic, die Leiterin der Kanzlei für EU-Integration:
„Voll Zusammenarbeit bedeutet den Austausch von Dokumenten, den Zugang zu Archiven und zu Zeugen; das war in den vergangenen Monaten ein ziemlich bedeutendes Problem; doch hinzu kommt natürlich das Auffinden der übrigen Angeklagten. Einen beträchtlichen Beitrag dazu leistete die Auslieferung eines mutmaßlichen Angeklagten. Doch einige Länder beharren vor allem auf der Auslieferung von General Ratko Mladic. Serbien muss zeigen, dass es alles tut, um Mladic zu finden. Wenn das nicht möglich ist, muss Serbien trotzdem beweisen, dass die umfassende Zusammenarbeit mit dem Tribunal gegeben ist.“
Erschwert wird diese volle Zusammenarbeit auch durch fragwürdige Urteile des Tribunals selbst. So wurde jüngst ein Bosnjake vom Tribunal freigesprochen, den Serbien für die Ermordung von etwa 3.000 bosnischen Serben verantwortlich macht. Dieser Freispruch war selbst unter Richtern des Tribunals sehr umstritten. Wegen mangelhafter Zusammenarbeit mit dem Tribunal wurden die Verhandlungen zwischen Brüssel undBelgrad immer wieder ausgesetzt; trotzdem hat Serbien bei der Annäherung an die EU in der Praxis bereits deutliche Fortschritte gemacht; Tanja Miscevic:
„Ein europäischer Staat ist Serbien beim Finanzsektor, beim Kapitalverkehr und beim Kapital im allgemeinen sowie beim Zoll, denn gerade diesen Bereich mussten wir anpassen, um die Verhandlungen über das SAA überhaupt abschließen zu können. Am weitesten entfernt sind wir natürlich auf den Gebieten, die die größten sind; das gilt für die Umwelt, die Landwirtschaft, für die Lebensmittelsicherheit, denn hier sind die EU-Standards am höchsten und es ist sehr schwer sie einzuführen. Dazu werden wir nicht nur die Zeit bis zum EU-Beitritt brauchen, sondern auch noch ein paar Jahre danach.“
Die Verpflichtungen, die sich für Serbien nun aus dem Abkommen über Stabilisierung und Assoziation ergeben, erläutert Miscevic so:
„Was die Liberalisierung des Handels mit Industriegütern betrifft so müssen wir binnen sechs Jahren die Zölle auf Null senken und den Handel völlig liberalisieren. Bei der Landwirtschaft haben wir die Möglichkeit, über das sechste Jahr hinaus landwirtschaftliche Produkte durch Zölle zu schützen; das gilt vor allem für Getreide und Milch, die wir besonders schützen wollen; und da hat die EU Verständnis gezeigt; diese Liberalisierung wird es zum Thema, wenn wir über den EU-Beitritt verhandeln.“
Zur Knochenarbeit der Annäherung zählt auch die Übersetzung des EU-Rechtsbestandes. Dabei greift Serbien auch auf kroatische Vorarbeiten zurück, trotzdem ist Tanja Miscevic mit dem bisher erreichten nicht wirklich zufrieden:
„Die primäre Gesetzgebung haben wir bereits übersetzt, doch auch etwa 4.000 Seiten der sekundären Gesetzgebung haben wir bereits übersetzt, das betrifft die Beschlüsse der EU. Doch es ist uns nicht gelungen, den Prozess der Übersetzung ausreichend zu koordinieren, und das sehe ich als unseren größten Misserfolg. Das ist unsere größte Aufgabe, weil die Übersetzung von uns viel mehr Kapazitäten und vor allem viel mehr Mittel erfordert, die die Regierung Serbiens bereit stellen muss.“
Denn für Serbien gilt es auf den Tag vorbereitet zu sein, an dem die volle Zusammenarbeit mit dem Hager Tribunal gegeben und der Weg Richtung EU damit frei ist.