Finanzminister Mirko Cvetkovic wird neuer Regierungschef
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Berichte Serbien
In Serbien steht sieben Wochen nach der Parlamentswahl die Bildung einer neuen Regierung knapp bevor. Sie soll bereits kommende Woche vom Parlament in Belgrad bestätigt werden. Neuer Ministerpräsident wird der bisherige Finanzminister Mirko Cvetkovic. Ihn hat Staatspräsident Boris Tadic gestern Abend mit der Regierungsbildung beauftrag. Cvetkovic wird Nachfolger des nationalkonservativen Vojislav Kostunica, dessen Reformregierung im März am Streit um den weiteren EU-Kurs zerbrochen ist. Die neue Regierung wird nun eine Koalition unter Führung eines proeuropäischen Parteienbündnisses führen, in dem die Demokratische Partei von Boris Tadic tonangebend ist. Aus Belgrad berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz
Die Nominierung des 58-jährigen Mirko Cvetkovic ist das Ergebnis eines Machtkampfes in der DS, der Demokratischen Partei. Denn Parteivorsitzender und Staatspräsident Boris Tadic wollte offensichtlich, dass der bisherige Außenminister Vuk Jeremic Regierungschef wird; der 33-jährige Jeremic war zuvor Tadic-Berater, hat in der Partei keine Hausmacht und wäre daher für Tadic leicht lenkbar gewesen. Doch das Parteipräsidium war strikt dagegen; es konnte sich aber mit seinem Wunschkandidaten ebenfalls nicht durchsetzen, und so nominierte Tadic gestern Finanzminister Mirko Cvetkovic, der in der Partei auch kaum verankert ist. Auf der Homepage der DS ist zwar seine Biographie zu finden, doch in allen Lebensläufen fehlt das Datum seines Parteibeitrittes, der offensichtlich bisher nicht erfolgte. Weit ausführlicher beschrieben ist sein beruflicher Werdegang. Cvetkovic machte sein Doktorat an der Wirtschaftsfakultät der Universität Belgrad. Als Berater der Weltbank und des UNO-Entwicklungsprogramms war er an Projekten in Pakistan, Indien, der Türkei und in Somalia beteiligt. In der Regierung des ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic war er stellvertretender Minister für Wirtschaft und Privatisierung; nun war er seit 13 Monaten Finanzminister. Cvetkovic hat den Ruf einen Experten mit beschränkter politischer Erfahrung und gilt als Pragmatiker. Diese Charaktereigenschaft wird Cvetkovic als Regierungschef auch brauchen; denn er wird eine Koalition führen, die aus einem proeuropäischen Mehrparteienbündnis, besteht das beträchtliche persönliche Rivalitäten und weltanschauliche Unterschiede aufweist. Hinzu kommen als Koalitionspartner die früheren Milosevic-Sozialisten und Parteien nationaler Minderheiten. Die endgültige Aufteilung der Ressorts ist noch ebenso wenig bekannt wie die Zahl der Regierungsmitglieder. Die neue Regierung soll kommende Woche stehen, doch dann steht noch die Bildung der Koalition in der Hauptstadt Belgrad auf dem Prüfstand und die Aufteilung der Posten in den staatlichen Betrieben bevor. Anlass zu Verteilungskämpfen gibt es somit genug, ganz abgesehen von ideologischen Gegensätzen, die in der Frage der Kosovo-Politik und bei der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal noch sichtbar werden könnten.