Schicksalswahl zwischen EU und Kosovo
Radio
MiJ
Berichte Serbien
Kann Serbien auf EU-Kurs bleiben, obwohl die Mehrheit der EU-Mitglieder die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hat. Diese Frage dominierte den Wahlkampf. Stein des Anstoßes war der Vertrag über Stabilisierung und Assoziation mit der EU, den pro-westliche serbische Politiker schließlich in der Vorwoche unterzeichneten. Die EU-Gegner sehen darin eine Anerkennung des Kosovo. Sie warfen den EU-Befürwortern Verrat vor und griffen die EU wegen des Kosovo massiv an. Ministerpräsident Vojislav Kostunica:
„Schändlich und unehrenhaft ist es, auf der Seite jener Gewalthaber zu stehen, die sich angeblich auf das Recht berufen, von europäischen Werten reden; doch sie haben diese europäischen Werte ausgelöscht. Wenn jemand jetzt die grundlegenden demokratischen Strömungen und europäischen Werte schützt vor jenen, die sie verletzen, vor diesen selbsternannten Europäern in Brüssel und Belgrad, dann ist das Serbien.“
Nach der Wahl würde das Parlament den Vertrag für nichtig erklären, betont Kostunica. Er spricht abwertend vom Solana-Vertrag; denn, Havier Solana, das Symbol für die gemeinsame Außenpolitik der EU, ist den Serben noch gut als jener Generalsekretär der NATO in Erinnerung, der 1999 den Angriffsbefehl zum Krieg um den Kosovo gab. Nur mit dem Kosovo könne Serbien der EU beitreten, lautet das Credo der EU-Gegner. Unter ihnen setzte die Radikale Partei von Tomislav Nikolic im Wahlkampf vor allem auf die Armen, die Arbeitslosen und die Opfer des wilden Kapitalismus, der in Serbien Einzug gehalten hat; Tomislav Nikolic:
„Der Arbeitgeber wird nicht mehr von dem Fräulein verlangen dürfen, dass es nicht heiratet, wenn es Arbeit will; und von der Mutter wird er nicht mehr fordern dürfen, nicht schwanger zu werden, wenn sie Arbeit will. Diese Arbeitgeber wird der Staat verfolgen, jene, die Serbien nichts Gutes wollen.“
Diesen Parolen setzten die EU-Befürworter entgegen, dass gerade die Annäherung an Brüssel Arbeitsplätze und Investitionen bringen werde. Präsident Boris Tadic:
„Die Wahlen sind ein Referendum darüber, ob wir nach Europa oder in die Isolation wollen; ob wir erlauben wollen, dass viele Arbeitsplätze verloren gehen; ob wir frei durch die Welt reisen und freie Bürger sein wollen, oder ob wir zulassen, dass um unser Land Mauern hochgezogen werden.“
Symbol der bestehenden Mauer sind die Visa-Werber vor den Botschaften. Brüssel präsentierte daher jüngst in Belgrad einen Fahrplan zur Abschaffung der Visa. Um Tadic zu unterstützen fixierte am Dienstag FIAT die Übernahme des Autokonzerns Zastava. Begründete wurde die Übernahme mit dem Vertrag über die EU-Annäherung. Dieser Schachzug könnte die Wahl beeinflussen, erläutert der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic:
„Zastava beschäftigte nicht nur 30.000 Mitarbeiter, sondern auch noch 200.000 Personen in indirekter Weise, die alle mehr oder weniger ihre Arbeit verloren. Das ist nun das erste Mal etwas Spürbares, das aus Europa gekommen ist; das ist nicht nur ein Vertrag, ein Versprechen wie der Fahrplan zur Visa-Liberalisierung, sondern eine Investition, die direkt dem Vertrag über Stabilisierung und Assoziation zugeschrieben wird. Das ist etwas Gutes, und das hat wenigstens die Erosion des pro-europäischen Blocks gestoppt.“
Trotzdem dürfte es nach der Wahl keine klaren Mehrheiten geben. Die Regierungsbildung wird somit sehr schwierig und daher könnte die politische Instabilität in Serbien noch lange andauern.