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Belgrad vor Massendemonstration gegen Kosovo-Unabhängigkeit

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Berichte Serbien
In Belgrad findet heute am Nachmittag die bislang größte Kundgebung gegen die Unabhängigkeit des Kosovo statt. Erwartet werden mehrere Hundertausend Teilnehmer, haben doch heute auch die Schülerdeswegen in Serbien schulfrei. .Aufgerufen zur Kundgebung haben Ministerpräsident Vojislav Kostunica und die Ultranationalisten unter Tomislav Nikolic. Nicht daran teilnehmen wird Staatspräsident Boris Tadic. Die Kundgebung wird der vorläufige Höhepunkt von durchaus auch gewalttätigen Protesten sein. Daher hat die österreichische Botschaft auch eine Warnung an österreichische Firmen herausgegeben. Autos mit Firmenlogos und mit ausländischen Kennzeichen und serbischen Nummerntafeln, die auf ausländische Besitzer hinweisen sollen in Garagen geparkt werden. Empfohlen wurde die Geschäfte im Zentrum und in Neubelgrad bis 12 Uhr zu schließen, die Auslagen zu sichern und wichtige Dokumente und Geld zu sichern. Über die Stimmung in Belgrad berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Eine derartige klare Warnung der österreichischen Botschaft in Belgrad hat es seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor acht Jahren kaum mehr gegeben. Sie ist gerechtfertigt, angesichts der Tatsache, dass Österreich die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hat, und angesichts der Ereignisse der vergangenen Tage. Bei gewalttätigen Ausschreitungen wurden die Fenster der slowenischen Botschaft eingeschlagen und auch westliche Firmen angegriffen. Diese Angriffe rechtfertigte Infrastrukturminister Velimir Ilic mit den Worten:

„Sie haben uns den Staat zerschlagen, wir ihnen einige Fensterscheiben. Das mussten sie erwarten, damit sie lernen, was Demokratie ist. Auch das Einschlagen von Fensterscheiben ist Demokratie“

Zitat Ende. Doch Ilic war nicht der einzige Minister, der Gewalt rechtfertigte. So bezeichnete der Minister für den Kosovo, Slobodan Samardjic, die Tatsache, dass Kosovo-Serben zwei Grenzstationen zerstörten als vielleicht nicht schön aber legitim. Den politischen Nutzen für Serben erläuterte Samardjic so:

„Das ist nicht von Belgrad ausgegangen, doch ich kann sagen, dass Belgrad die Zollpolitik im Nordteil des Kosovo übernehmen will, das heißt, in den Gebieten, wo das möglich ist. So besteht im Grunde kein Mangel an Einklang, doch wir haben dieses Vorgehen nicht vereinbart, was die Übernahme dieser Zollstationen betrifft.“

Serbien strebt somit eine de facto Abspaltung des Nordens des Kosovo an. Dazu wird offensichtlich auch Gewalt als Mittel akzeptiert, eine Haltung, die von pro-europäischen Serben abgelehnt wird. Kritisiert wurde daher auch die Aussage von Samardjic:

„Das soll die Botschaft vermittelt, dass der Zorn groß und dass die EU nicht willkommen ist. Doch ein derartiges Verhalten vermeidet man an sich in der Politik, weil man damit die Verantwortung für künftige Gewalttaten übernimmt, die den politischen Plänen vielleicht nicht entsprechen und die man nicht kontrollieren kann.“

… betont Dusan Janic vom Forum für ethnische Beziehungen in Belgrad.

Kontrolliert geschürt und von den meisten Medien verbreitet wurde jedenfalls seit einigen Jahren die antiwestliche Hysterie, die in Serbien derzeit herrscht und heute einen Höhepunkt erleben wird. Zwei ihrer Urheber werden heute in Belgrad sprechen; es sind dies Ministerpräsident Vojislav Kostunica und Tomislav Nikolic, der stellvertretende Vorsitzende der Ultranationalisten. Auftreten wird auch der im Westen bekannte und gehätschelte Filmregisseur Emir Kusturica, der im Gegensatz zu den meisten Serben nicht auf Visa-Erleichterungen durch die EU angewiesen ist. Kostunica und Nikolic sind jedenfalls strikt gegen jede EU-Annäherung, sollte Brüssel weiter zur Unabhängigkeit des Kosovo stehen. Bislang waren etwa 70 Prozent der Serben für die EU, doch diese pro-europäische Haltung könnte drastisch zurückgehen, befürchtet Dusan Janic:

„Ich fürchte, dass sich etwa 20 bis 25 Prozent jener Serben, die früher für Europa waren, von dieser Idee abwenden. Auch politisch wird Serbien dann am Scheideweg stehen zwischen der EU und einer anderen Orientierung. Ich fürchte, dass dieses Dilemma lange dauern wird. Serbien hat jetzt keine Chancen mehr, in ein paar Jahren der EU beizutreten, vor dem Jahre 2020 wird das nicht mehr realistisch sein. Die Folgen dieser Vorfälle werden sehr lange nachwirken.“

Möglich wurden diese Vorfälle weil die EU ihre massiven Hilfen für Serbien überhaupt nicht vermarktet hat; daher war es viel leichter, diese antiwestliche Hysterie zu schaffen. Doch auch die pro-westlichen Parteien in Serbien bezahlen nun die Rechnung für ihr Kokettieren mit dem Nationalismus und für ihr Versäumnis, mit den Folgen der Politik von Slobodan Milosevic nicht schonungslos abgerechnet zu haben.

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