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Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten Tomislav Nikolic

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Berichte Serbien
In Serbien wird am Sonntag der Präsident neue gewählt. Neun Kandidaten treten an, doch das wirkliche Kräftemessen findet nur zwischen zwei Bewerbern statt. Es sind dies der prowestliche Amtsinhaber Boris Tadic und der Ultranationalist Tomislav Nikolic. Diese beiden werden mit großer Sicherheit in die Stichwahl kommen, die Anfang Februar stattfindet. Doch bereits die erste Runde am Sonntag wird, eine Einschätzung der Kräfteverhältnisse erlauben, wobei Meinungsforscher zum ersten Mal dem Ultranationalisten seriöse Chancen einräumen Präsident zu werden. Daher ist die Wahl auch eine echte Richtungsentscheidung; gewinnt Tomislav Nikolic bedeutet das wohl das vorläufige Ende der EU-Annäherung Serbiens und eine stärkere Hinwendung zu Putins Russland. Mit Tomislav Nikolic hat in Belgrad unser Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

„Mit ganzem Herzen“ lautet das Wahlmotto des 56-jährigen Tomislav Nikolic. In seiner Heimatstadt Kragujevac soll Nikolic einst für die Friedhöfe zuständig gewesen sein, daher lautet sein Spitzname bis heute „grobar“, Totengräber. Große Emotionen sind seine Sache nicht; der grauhaarige, etwas melancholisch wirkende 1,80 große Nikolic, spricht stets mit ruhiger Stimme:

„Zu unseren Versammlungen kommen viele Menschen, doch schauen sie sich vor allem die Frauen an. Sind sie herausgeputzt, geschminkt oder tragen schöne Kleider, Nein! Das sind lauter arme Menschen; sie werden entwürdigt, indem man sagt, dass sind die Reformverlierer und man sagt nicht, dass sind Arme. Diese Frauen haben in irgendeiner Fabrik gearbeitet und hatten vielleicht genug Geld für ihre grundlegenden Bedürfnisse; heute haben sie nichts.“

Die Armen und die Arbeiter sind die Hauptzielgruppe der Serbischen Radikalen Partei. Von ihrem rabaukenhaften, ultranationalistischen Erscheinungsbild ist im Wahlkampf nur wenig zu hören oder zu sehen. Angeblich auf Anraten seiner amerikanischen Wahlkampfberater trägt Nikolic nicht ein Mal mehr den Button mit dem Bild seines Vorsitzenden Vojislav Seselj, der sich vor dem Haager Tribunal wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen verantworten muss. Auch die weltanschaulichen Grenzen zwischen dem nationalkonservativen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica und Tomislav Nikolic sind kaum mehr erkennbar. Im Gegensatz zu Präsident Boris Tadic sind beide klar gegen jede weitere EU-Annäherung, sollte Brüssel die Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz Kosovo akzeptieren. Tomislav Nikolic:

„Die EU betreibt die Unabhängigkeit des Kosovo; damit steht sie in direktem Konflikt mit Serbien. Verlangen sie doch von irgendeinem anderen Staat auf der Welt, dass er einen Teil seines Territoriums hergibt, damit wir sehen, welcher Staat das akzeptiert oder in der Geschichte akzeptiert hat? Hier bin ich vollkommen klar.“

Klar und offen lehnt Nikolic auch jede Auslieferung an das Haager Tribunal ab. Dass Serbien dann noch mehr Zeit auf dem Weg Richtung EU verliert, schreckt Nikolic nicht; er plädiert für eine Hinwendung nach Russland. Damit steht Nikolic nicht allein in Serbien; doch er ist bisher der einzige Politiker, der Russland eine Militärbasis einräumen will, schließlich hätten auch die USA im Kosovo bereits eine Basis:

„Wenn wir schon eine amerikanische Militärbasis auf serbischem Territorium haben, damit sich Amerika vor dem Terrorismus verteidigen kann, warum soll dann nicht auch Russland eine Basis in Serbien haben, um Land und Luft im Kampf gegen den Terrorismus zu überwachen. Warum sollen diese beiden Basen dann nicht auch zusammenarbeiten können. Serbien wäre dann völlig sicher.“

Beruhigende Signale sendet Nikolic im Zusammenhang mit dem Kosovo aus. Serbien werde keinen Krieg führen und Truppen nur auf Ersuchen der NATO in den Kosovo schicken. Dieses Ersuchen wird wohl Ausbleiben; Ausbleiben könnten auch westliche Investoren in Serbien, sollte Nikolic tatsächlich Präsident werden. Die Transformation der Ultranationalisten zu einer nationalkonservativen Partei hat bestenfalls erst begonnen, und daher dürfte die EU ein Serbien unter Nikolic bestenfalls nach Monaten der Eiszeit als möglichen Partner akzeptieren.

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