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Beginn des Seselj-Prozesses in Den Haag Wehrschütz

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Berichte Serbien
Vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in den Haag beginnt heute der Prozess gegen Vojislav Seselj, den Vorsitzenden der ultranationalistischen Partei in Serbien. Seselj wird vorgeworfen, für Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien und der nordserbischen Provinz Vojvodina verantwortlich zu sein. Der heutige Prozess ist bereits der zweite Anlauf zur Hauptverhandlung; sie hätte eigentlich schon im November des Vorjahres beginnen sollen. Doch Seselj verweigerte zunächst das Erscheinen vor Gericht und trat sogar mehrere Wochen in den Hungerstreik, um das Recht zu erhalten, sich selbst zu verteidigen. Anfang Dezember wurde der Prozess unterbrochen. Kurz danach entschied das Tribunal, das Verfahren neu aufzurollen. Aus Belgrad berichtet über den nunmehrigen Prozessbeginn unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Vojislav Seselj wird beschuldigt, mit dem früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic Teil eines gemeinsamen verbrecherischen Vorhabens gewesen zu sein. Dieses habe in den Jahren 1991 bis 1995 darauf abgezielt, Kroaten, Bosniaken und andere Nicht-Serben aus Kroatien, einem Großteil von Bosnien-Herzegowina und Teilen der serbischen Provinz Vojvodina zu vertreiben. Seselj sei an diesem Vorhaben bis September 1993 beteiligt gewesen. Konkret wird ihm vorgeworfen, durch Hassreden serbische Einheiten zu Verbrechen gegen Nicht-Serben angespornt zu haben. Seselj werden somit Verbaldelikte im Kampf für Großserbien zur Last gelegt werden. Am meisten hat dem Tribunal in Serbien jedoch geschadet, dass Seselj seit Februar 2003 in den Haag einsitzt, obwohl er sich freiwillig gestellt hat. Im Gegensatz dazu durfte ein prominenter kosovo-albanischer Angeklagter in Freiheit auf seinen Prozess warten. Diesen Umstand haben auch pro-westliche Kräfte in Serbien massiv kritisiert. Die serbischen Ultranationalisten sind sich dieses Mankos bewusst und bestrebt ihren einsitzenden Vorsitzenden zum politischen Märtyrer aufzubauen. Einen Teilerfolg haben sie bereits errungen; Die Ultranationalisten sammelten 700.000 Unterschriften und erreichten so, dass das serbische Staatsfernsehen ausführlich über den Prozess berichten wird. Seselj wird somit eine beachtliche mediale Bühne erhalten und dank seiner Eloquenz wohl zu nutzen. Sesel selbst wird sich sicherlich etwas einfallen lassen, um das Haager Tribunal weiter vorzuführen. Bis jetzt hat er weit mehr als 300 handschriftliche Eingaben formuliert, meist viele Dutzend Seiten lang. Alles muss sauber vom Gericht abgetippt und übersetzt werden - einschließlich so mancher Beleidigungen der Anklagevertreter.

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