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Interview mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic

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Berichte Serbien
Der serbische Präsident Boris Tadic warnt eindringlich vor einer Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz Kosovo. Ein derartiger Schritt könne nicht nur Serbien, sondern auch den gesamten Balkan destabilisieren. Gleichzeitig betonte Tadic, Serbien wolle ausschließlich eine friedliche Lösung durch Verhandlungen mit den Kosovo-Albanern unter Vermittlung von Russland, den USA und der EU. Diese Gespräche finden schon seit weit mehr als einem Jahr statt, haben aber noch immer keine Annäherung gebracht. Die Albaner beharren auf der Unabhängigkeit, die Serben sind dagegen. Die Serben werden von Russland unterstützt, doch auch einige EU-Staaten haben Vorbehalte. Klar für die Unabhängigkeit sind die USA. An diesen Gegensätzen ist bisher auch der Plan gescheitert, dem Kosovo eine Unabhängigkeit zu gewähren, die von EU und NATO überwacht werden soll. Aus dieser Sackgasse soll bis Dezember nun ein Ausweg gefunden werden. Darüber hat in Belgrad Christian Wehrschütz mit Präsident Boris Tadic gesprochen, hier sein Bericht:

Der völkerrechtliche Status des Kosovo ist die letzte gefährliche offene territoriale Frage im

ehemaligen Jugoslawien. Grundlage des Streits sind zwei völkerrechtliche Prinzipien, die einander ausschließen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und das Recht auf territoriale Integrität eines Staates. Darauf pocht auch der serbische Präsident Boris Tadic:

„Ich sage Ihnen, was nach unseren Vorstellungen nicht verhandelbar ist: das ist die Änderung der Grenzen und die Souveränität Serbiens über den Kosovo. Über alles andere kann verhandelt werden.“

Doch wie sollen die Albaner zum Einlenken gebracht werden, die nur die Unabhängigkeit akzeptieren wollen?

„Wir müssen unseren amerikanischen Gesprächspartnern immer wieder die gefährlichen Folgen einer einseitigen Unabhängigkeit vor Augen halten. Außerdem müssen wir unsere europäischen Partner und Freunde von all dem überzeugen; denn natürlich ist es wichtig, unsere Argumente gegenüber den USA zu stärken, doch das können die EU-Mitglieder viel wirkungsvoller tun als Serbien heute. Grund dafür sind die wechselseitigen Interessen zwischen den USA einigen EU-Mitgliedern.“

…erläutert Tadic die Strategie Serbiens. Und warnt vor der Beispielswirkung, die eine Unabhängigkeit haben könnte:

„Die Änderung der Grenzen ist eine außerordentlich gefährliche Lösung. Wenn man damit beginnt, dann lässt sich dieser Prozess am Westbalkan von niemandem mehr stoppen; doch ich spreche nicht nur vom Westbalkan, sondern auch von der Region des Schwarzen Meeres. Auch in dieser Region gibt es viele Kosovo, wie etwa in Moldawien, in Aserbaidschan, in Georgien und sogar noch in anderen Ländern, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Ich hoffe, dass sind genügend Argumente gegen die Unabhängigkeit des Kosovo.“

Gleichzeitig plädiert Tadic für eine viel raschere Annäherung des gesamten Westbalkan an die EU:

„Der Westbalkan ist mit ungelösten Konflikten konfrontiert. Einer davon sind die Verhandlungen über den Kosovo; doch auch in den anderen Ländern gibt es viele offene Fragen. Dazu zählt Bosnien-Herzegowina mit seinen Reformen; doch auch Mazedonien, Montenegro und Kroatien, haben alle Probleme, deren Lösung eine Voraussetzung für die EU-Mitgliedschaft ist. Ich bin überzeugt, dass nur durch einen beschleunigten Integrationsprozess der Westbalkan sich schließlich in der EU befinden wird. Dadurch wäre diese politische Richtung unumkehrbar.“

Das größte politische Hindernis für Serbien heißt Ratko Mladic; der mutmaßliche Kriegsverbrecher ist noch immer auf der Flucht vor dem Haager Tribunal. Boris Tadic:

„Ratko Mladic in Den Haag ist eine Voraussetzung für unseren Beitritt zur EU. Daher haben wir höchstes Interesse daran, die Frage endlich ad acta zu legen. Hinzu kommt, dass die Verhandlungsposition Serbiens in der Frage des Kosovo bei weitem bessere wäre, könnte es das Problem der Auslieferung von Ratko Mladic morgen lösen. Denn unsere internationale Glaubwürdigkeit würde dramatisch steigen, und wir hätten bei weitem besser Möglichkeiten, unsere nationalen Interessen im Kosovo zu verteidigen.“

Doch Boris Tadic ist sich auch des Umstandes bewusst, dass Serbien noch viele schwierige Reformen auf dem Weg Richtung EU-Mitgliedschaft zu lösen hat.

„Wir können nicht nur über den Kosovo verhandeln und unsere politischen und wirtschaftlichen Kräfte nur für diese Verhandlungen aufbrauchen; zwar gilt unsere gesamte Aufmerksamkeit der Wahrung unserer territorialen Integrität, doch wir müssen auch Rechnung tragen unserer wirtschaftlichen Entwicklung und uns besonders um die ärmsten Schichten unserer Bevölkerung kümmern.“

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