× Logo Mobil

Zusammenstöße und Festnahmen bei Antifa-Demo

Radio
MiJ
Berichte Serbien
In der nordserbischen Stadt Novi Sad ist es gestern zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Neofaschisten, antifaschistischen Demonstranten und der serbischen Sonderpolizei gekommen. 56 Personen wurden festgenommen, darunter 11 Neofaschisten aus der Slowakei; vier Personen wurden leicht verletzt. Anlass für die Gewalttätigkeiten war der Versuch einer neofaschistischen Organisation eine Kundgebung in Novi Sad abzuhalten. Sie wurde zwar verboten, doch störten ihre Anhänger einen Protestmarsch, zu dem antifaschistische Gruppen in Novi Sad aufgerufen hatten. Mit dabei war unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, der folgenden Bericht gestaltet hat:

„Serbien, den Serben“ – war einer der Schlachtrufe mit dem die Anhänger der so genannten „Nationalen Front“ den Protestmarsch der antifaschistischen Gruppen in Novi Sad zu stören begannen. Getrennt durch einen Zaun und einen Polizeikordon folgten den wechselseitigen Beschimpfungen Wurfgeschoße von beiden Seiten der Absperrung, ehe die Polizei dem Spuck ein Ende machte. Verhaftet wurde auch Goran Davidovic, dem serbische Medien den Spitznamen „Führer“ verliehen haben. Davidovic ist der Sprecher der „Nationalen Front“:

„Wir sind für nationale Freiheit und soziale Gerechtigkeit; wenn uns das zu nationalen Sozialisten macht, gut, dann sind wir es; aber schauen wir doch, nach welchem Gesetz das verboten ist; wir rufen zu keinem Hass auf, verwenden keine Symbole aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges; wir wollen in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit zurück.“

Doch wegen der Verbreitung von Hassreden wurde Davidovic im Vorjahr verurteilt, als er und seine Anhänger an der Universität von Novi Sad eine Podiumsdiskussion sprengten. Bereits damals erregte die „Nationale Front“ große mediale Aufmerksamkeit, die ihrer Stärke keineswegs entspricht:

„Das ist eine marginale Gruppe, nicht nur der Zahl nach sondern auch vom sozialen Milieu her, die kein wirkliches politisches Programm formulieren kann. Ich sehe sie eher als Rowdys, die raufen wollen und eben nicht auf den Fußballplatz gehen, sondern Raufhändel bei politischen Auseinandersetzungen suchen. Dahinter steht keine ernsthaftere oder tiefere Ideologie.“

…sagt der Politologe Slobodan Antonic. Antonic verweist darauf, dass die ideologischen Grenzen in Serbien fließend sind. So ist die Nationale Front gegen einen NATO- und EU-Beitritt, eine Position, die auch bei einflussreichen serbischen Parlamentsparteien zu finden ist. Und sogar bei der antifaschistischen Kundgebung war ein Transparent zu sehen, das NATO und EU mit dem Dritten Reich gleichsetzte:

„Das ist nur eine Folge der mangelnden Bereitschaft unserer Regierung, die Vergangenheit aufzuarbeiten; außerdem fehlt eine klare Haltung gegenüber der Politik, die im ehemaligen Jugoslawien geführt wurde und der Rolle, die Serbien und seine Politiker dabei gespielt haben.“

…sagte der liberale Oppositionspolitiker Cedomir Jovanovic, der in Novi Sad am antifaschistischen Protestmarsch teilnahm. Diese fehlende Vergangenheitsbewältigung wird vor allem beim Haager Tribunal und beim Kosovo-Status spürbar. Wiederbelebt wurden dadurch nationalistische Ressentiments; und nicht nur die gestrigen Vorfälle in Novi Sad sind ein Indiz dafür, wie weit entfernt Serbien von einer offenen, aufgeklärten Gesellschaft noch ist.

Facebook Facebook