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Neue EU-Strategie für den Westbalkan?

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Berichte Serbien
In der EU wird derzeit über eine Änderung der politischen Strategie gegenüber dem so genannten Westbalkan diskutiert. Einbinden und engagieren lautet die Devise jener Staaten, die wie Italien und Slowenien einen raschen EU-Beitrittskandidatenstatus für Serbien, Bosnien, Albanien und Montenegro fordern. Dadurch sollen nicht nur die möglichen Folgen einer Unabhängigkeit des Kosovo gemildert, sondern diese Staaten auch stärker in die Pflicht genommen werden. So ist in Bosnien die EU-Annäherung wegen des Streits um die Polizeireform seit mehr als einem Jahr blockiert; und Mazedonien hat bereits seit fast zwei Jahren einen Kandidatenstatus, ohne dass es zu Beitrittsverhandlungen gekommen wäre, weil die EU mit dem Reformtempo unzufrieden ist. Zu den Verfechtern dieser Linie zählt auch der ehemalige jugoslawische Außenminister Goran Svilanovic. Mit ihm hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz über die Lage und seine Vorschläge gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Die Reformen in den Staaten des Westbalkan werden durch Faktoren erschwert, die an sich nur am Rande mit der EU-Annäherung zu tun haben. Es sind dies die schwierige Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal und der nach wie vor ungelöste Status des Kosovo. Diese Statusfrage betrifft natürlich Albanien, aber auch Mazedonien und Montenegro, wo ebenfalls Albaner leben. Die Folgen für Serbien beschreibt der frühere jugoslawische Außenminister Goran Svilanovic so:

„Die Tatsache, dass der Status jahrelang nicht geregelt wurde, hat die Lage in der Region und die Beziehungen Serbiens zu seinen Nachbarn wesentlich verschlechtert. Unsere Beziehungen mit Albanien kennzeichnet das fehlende Interesse an ihrer Verbesserung. Unsere Beziehungen zu Mazedonien werden allein dadurch gekennzeichnet, dass der mazedonische Ministerpräsident der serbischen Regierung geschrieben hat, er sei es leid auf die Beantwortung seiner Briefe zu warten. Unsere Beziehungen zu Bosnien-Herzegowina wiederum werden durch die Tatsache charakterisiert, dass je besser unsere Beziehungen zum serbischen Teilstaat werden, desto schlechter werden die Kontakte zu Sarajevo.“

Denn etwa die bosnischen Serben aber auch viele Politiker in Belgrad haben kein Verständnis dafür, dass der Kosovo unabhängig werden, die bosnischen Serben dieses Recht aber nicht haben sollen. Hinzu kommen Falken auf bosnjakischer Seite und der Stillstand bei der Reform des komplizierten Staatswesens mit drastischen Folgen:

„Früher war es undenkbar, dass jemand die Teilung Bosniens erwähnt; heute ist das ein Satz, den jeder Politiker der drei Volksgruppen ausspricht. Daher haben wir eine Verschlechterung der Lage in Bosnien in einem Ausmaß, das nicht haltbar ist. Das ist die Folge davon, dass Probleme, die vor einigen Jahren nicht gelöst wurden, noch immer nicht gelöst sind.“

Erläutert Goran Svilanovic; er betont, dass Bosnien noch immer jeder innere Zusammenhalt fehlt:

„Ein Verfassungspatriotismus, ist das Maximum, das in Bosnien möglich ist; doch das ist noch immer nicht erreicht. Was heißt das? Wenn Bosnien gegen Deutschland Fußball spielt, das alle für Bosnien halten, doch das ist nicht der Fall. Noch weniger gilt das für ein Fußballspiel zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien. Doch ein Verfassungspatriotismus ist die minimale Anerkennung für das Leben in einem Staat.“

Um den Zusammenhalt in Bosnien zu stärken und die Folgen einer möglichen Unabhängigkeit des Kosovo abzufedern, befürwortet Svilanovic eine Änderung der EU-Strategie. Das betrifft erstens die Abschaffung der Visa-Pflicht:

„Die Kriminellen haben Visa, daher können jene, die studieren oder arbeiten wollen, das Schengen-Visa-Regime nicht verstehen. Das zweite Argument betrifft den Schutz der Arbeitsplätze und hält Die Arbeitsplätze in Europa bedrohen nicht die Menschen des Balkan, sondern die Tatsache, dass die Globalsierung zu einer großen Verlagerung von Technologie und Arbeitsplätzen geführt hat. Das ist eine Realität der wir uns alle stellen müssen.“

Zweitens schlägt Svilanovic vor:

„Kandidaten-Status für alle Länder des Westbalkan, parallel zum Beschluss über den Status des Kosovo, Beginn der Verhandlungen mit allen, und dann können diese Verhandlungen wirklich auch sehr lange dauern, länger jedenfalls als unsere Politiker zugeben. Auf jeden Fall müssen diese Verhandlungen so lange dauern solange diese Gesellschaften nicht in allem denen ähnlich sind, die bereits in der EU sind.“

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