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Belgrader Nationalmuseum und die Lage der Museen in Serbien

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Denkt man an Serbien, so denkt man unwillkürlich an Slobodan Milosevic, an Kriegsverbrechen und Krieg oder an den Kosovo-Konflikt. Daran, dass Serbien eine Kulturnation ist, fällt einem zunächst nicht ein. Dabei wurden auf serbischem Boden nicht nur mehrere römische Kaiser geboren, auch die Kunstschätze aus Mittelalter und Neuzeit sind beachtlich. Dieses reiche Erbe will Serbien nun wieder stärker zur Schau stellen, auch um sein schlechtes Image zu ändern. Diesem Zweck dient auch der Umbau der Nationalmuseums in Belgrad, der noch heuer beginnen soll. Die Modernisierung wird 25 Millionen Euro kosten und soll im Frühsommer 2010 abgeschlossen sein. Das Museum ist seit Dezember geschlossen, der Großteil der 400.000 Kunstgegenstände ist bereits ausgelagert. Zu den wertvollsten Exponaten des zählen eine umfangreiche Münzsammlung, Gegenstände der Vinca-Kultur aus dem sechsten Jahrtausend vor Christus sowie Gemälde von Rubens, Renoire, Picasso, Modigliani oder Monnet. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz

Kriege, Krisen und die schmerzlichen Reformen haben in Serbien natürlich auch die Kultur getroffen. Was dieser Niedergang nach dem Sturz von Milosevic im Oktober 2000 für das Nationalmuseum im Herzen von Belgrad bedeutet, beschreib Milena Dragisic-Sesic, Professorin an der Fakultät für angewandte Kunst in Belgrad:

„Die Lage im Nationalmuseum war katastrophal. Das Depot war voll von Pilzen und Bakterien, gleiches galt für das Museum für moderne Kunst. Die neuen Direktoren mussten daher sofort, Minimalstandards zum Schutz der Exponate einführen, doch das alles kostet viel Geld. “

Dieses Geld fehlt dem Nationalmuseum bis heute. Der Eingang des 1903 erbauten, vierstöckigen Hauses mit einem Grundriss von 50 mal 50 Metern, ist notdürftig eingerüstet; dadurch sollen Passanten vor dem möglichen Herabfallen von bröckelnden Verzierungen des Dachs geschützt werden. Doch das Innere macht einen noch erbärmlicheren Eindruck. Die Mitarbeiter des Museums hausen in Büros mit zerrissenen Teppichen, die Beleuchtung ist generell schlecht, eine Klimatisierung fehlt überhaupt. Der letze Umbau fand vor 40 Jahren statt; für größere Investitionen reiche das Geld einfach nicht, erläutert die Direktorin, Tatjana Cvjeticanin:

„Das Budget ohne Gehälter betrug 2006 etwa 500.000 Euro. Bezahlt wurden alle regelmäßigen Arbeiten, alle Veranstaltungen und Ausstellungen sowie die Rechnungen für Wasser, Strom und Heizung. Auf die Fixkosten entfielen 170.000 Euro, den Rest haben wir für kulturellen Aktivitäten verwendet.“

Zusätzliche Einnahmen brachten Veranstaltungen oder Leihgaben für Ausstellungen, und vier Bilder werden im Herbst im Belvedere in Wien zu sehen sein. Seit Dezember ist das Museum geschlossen und bereitet sich auf den Umbau vor. Nach dessen Abschluss wird die Ausstellungsfläche durch den Ausbau des vierten Stocks um ein Drittel größer; offene Depots, Möglichkeiten zur Interaktivität, eine Bibliothek mit Lesesaal sind ebenso geplant wie eine Überdachung; dadurch soll das Museum nicht nur heller, werden, sagt der Belgrader Architekt Milan Rakocevic:

„Diese Überdachung mit einer Oberfläche von 1000 Quadratmeter hat einen transparenten, einen durchscheinenden und einen dritten Teil, der mit photovoltaischen Zellen bedeckt ist. Dadurch werden wir pro Jahr einige Megawatt an Strom selbst produzieren können.“

Vorgesehen ist im Dachgeschoß auch ein Restaurant, das einen wunderbaren Blick über Belgrad bieten wird, denn das Nationalmuseum soll zu einem Ort des Wohlfühlens und der Begegnung werden.

Bis dahin ist der Weg noch weit, und zwar nicht nur, weil die Finanzierung des Umbaus nicht wirklich gesichert ist. Denn selbst in den guten Belgrader Museen, wie dem Museum für angewandte Kunst, wird Besucherfreundlichkeit nicht gerade groß geschrieben. Die Texte zu den Ausstellungsstücken sind nur mit Mühe lesbar, Zusatzinformationen fehlen ebenso wie Möglichkeiten zur Interaktivität; an die Belgrader bisher kaum gewöhnt sind:

„Als im Nationalmuseum eine Ausstellung für Blinde gezeigt wurde, war diese Ausstellung sehr gut besucht, weil sie aus Paris kam. Die Exponate waren dafür gemacht, angegriffen zu werden. Doch die Besucher schreckten davor zurück, weil sie gelehrt wurden, dass man Exponate in einem Museum nicht berühren, verwenden, und beschnuppern darf. “

erläutert die Museumsexpertin Liljana Gavrilovic.

Positiv zu vermerken ist der Museumsshop; er besitzt bis dato Seltenheitswert in Serbien, allerdings nicht nur wegen bürokratischer Hindernisse, betont: Milena Dragisic-Sesic, Professorin an der Fakultät für angewandte Kunst in Belgrad:

„Für einen Museumsshop muss man Verträge mit privaten Firmen abschließen, die Kaffeetassen oder Krawatten produzieren. Davor fürchten sich viele Direktoren, weil sie wegen dieser Verträge der Korruption beschuldigt werden könnten. Daher ist es besser, keine Verträge zu schließen, weil der Direktor nicht beschuldigt werden kann, Prozente genommen zu haben.“

Kräftig Prozente nimmt dagegen der Staat, der insgesamt nur 80 Millionen Euro pro Jahr für die Kultur zur Verfügung stellt. Spenden sind nicht von der Steuer absetzbar; und selbst Museen müssen für Sachspenden Steuern in bar bezahlen. Daher mussten Spenden aus Geldmangel vereinzelt sogar abgelehnt werden. Angesichts dieser Rahmenbedingungen wird es noch lange dauern, bis nicht nur die Museen, sondern Serbien insgesamt für Kulturtouristen eine wirklich attraktive Destination sein wird.

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