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Neue Regierung im letzten Moment

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Berichte Serbien
In Serbien hat das Parlament in der Nacht, quasi im letzten Moment, die neue Regierung bestätigt. Nach den Wahlen im Jänner endete die Frist für die Bildung einer neuen Regierung am Dienstag um Null Uhr. Wäre das Kabinett nicht zustande gekommen, hätte im Juli wieder gewählt werden müssen. Die nun gebildete Regierung ist eine Vier-Parteien-Koalition. Sie besteht aus zwei pro-europäischen Reformparteien und einem nationalkonservativen Zwei-Parteienbündnis unter Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Kostunica bleibt Regierungschef nach dem Koalitionsvertrag Regierungschef, obwohl sein Bündnis bei der Parlamentswahl nur den dritten Platz belegt hat. Stärkste Kraft im Parlament sind die Ultranationalisten, die jedoch keinen Partner für die Bildung einer Regierung fanden. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Die neue serbische Regierung verfügt im Parlament über 130 von insgesamt 250 Sitzen und damit über eine absolute Mehrheit, die nur mit vier Mandaten abgesichert ist. Zählen kann die Regierung aber auch auf Vertreter nationaler Minderheiten und eine pro-europäische Oppositionspartei. Stärkste Einzelkraft in der Vier-Parteien-Koalition ist die DS, die Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic. Sie hat im Parlament 64 Mandate; in der 25 Mitglieder zählenden Regierung hat die DS die Mehrheit; sie stellt den stellvertretenden Ministerpräsidenten und 12 Minister; dazu zählen die Ressorts Finanzen, Justiz, Verteidigung und Außenpolitik. Außenminister ist der bisherige Tadic-Berater Vuk Jeremic, mit 32 Jahren jüngstes Kabinettsmitglied. Ältestes ist mit 63 Jahren Vojislav Kostunica, der Ministerpräsident bleibt. Sein nationalkonservatives Parteienbündnis besetzt auch den Innenminister. Diese Position war bei den Koalitionsgesprächen der Zankapfel, weil die DS diese Funktion beanspruchte. Grund dafür ist der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic, nach dem gestern in Belgrad nach langem wieder ein Mal gesucht wurde, wenn auch erfolglos. Vor einem Jahr hat Brüssel Gespräche über eine EU-Annäherung Serbiens aufs Eis gelegt, weil Mladic noch in Freiheit ist. Diese Gespräche dürften bald wieder aufgenommen werden, weil in der neuen Regierung mit der DS der Einfluss pro-europäischer Kräfte größer ist als bisher. Der Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens wird ohne vorherige Verhaftung von Ratko Mladic kaum möglich sein. Diese Botschaft dürfte auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn übermitteln, der bereits heute nach Belgrad kommt. Wie intensiv tatsächlich nach Mladic gefahndet wird bleibt abzuwarten. Denn der alte Innenminister ist auch der neue, obwohl Kostunicas Bündnis den Chef der Geheimpolizei verlor; dieses Amt soll ein Parteilosen ausüben, der aber erst bestellt werden muss. In seiner Regierungserklärung bezeichnete Kostunica die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, die EU-Integration Serbiens und die Verhinderung der Unabhängigkeit des Kosovo als Prioritäten. Doch ihre Reihung ist umstritten. Für Tadic und die DS ist es die EU, für Kostunica der Kosovo. Kostunica trat in seiner Regierungserklärung denn auch für eine harte Linie gegenüber all jenen Staaten ein, die die Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz anerkennen sollten. Weit gemäßigter tritt die DS auf, obwohl sie die Abtrennung des Kosovo ebenfalls ablehnt. Der Kosovo dürfte somit schon bald zur größten Bewährungsprobe der neuen Regierung werden. Kann sie das Kabinett meistern, könnte die Regierung durchaus stabiler sein als erwartet; die Angst vor Neuwahlen und einem damit drohenden Sieg der Ultranationalisten sind ein Kitt, der so unterschiedliche Parteien durchaus zusammenhalten kann.

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