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Erfolgte IGH-Freispruch für Serbien auf Basis fehlender Dokumente?

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Berichte Serbien
Am 26. Februar atmete die politische Elite in Serbien erleichtert auf. Denn der Internationale Gerichtshof in Den Haag sprach an diesem Tag Serbien von dem Vorwurf frei, es sei für den Völkermord im bosnischen Srebrenica an etwa 8.000 Bosnjaken verantwortlich. Eingebracht hatte die Klage der Staat Bosnien-Herzegowina. Der gesamte Prozess dauerte 14 Jahre. Der IGH, der Internationale Gerichtshof, ist das höchste Gericht der UNO, eine Berufung gegen seine Urteile ist nicht möglich. Nicht zuletzt deshalb wurde dieser Freispruch für Serbien nicht nur in Bosnien mit Enttäuschung und großer Skepsis aufgenommen. Diese Vorbehalte haben nun neue Nahrung erhalten; denn der Freispruch aus Mangel an Beweisen, soll nicht zuletzt deswegen zustande gekommen sein, weil ausgerechnet das Kriegsverbrecher Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag Belastungsdokumente zurückgehalten haben soll. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

In seiner Urteilsbegründung bewertete der IGH das Massaker an etwa 8.000 Bosnjaken in Srebrenica im Jahre 1995 eindeutig als Völkermord. Nicht nachweisbar sei, dass Serbien diesen Völkermord durchgeführt oder geplant habe oder hätte verhindern können, selbst wenn Serbien davon gewusst hätte; so lautete die Begründung für den Freispruch Serbiens vom Vorwurf des Völkermordes durch den IGH. Nicht ein Mal der Beihilfe zum Völkermord wurde Serbien für schuldig gesprochen, obwohl an der finanziellen und materiellen Unterstützung der Armee der bosnischen Serben durch Belgrad praktisch kein Zweifel besteht. Massive Zweifel an der Beweiswürdigung des IGH weckte dagegen jüngst ein Artikel in der New York Times. Darin wird behauptet, dass Serbien Schlüsseldokumente aus den Jahren 1992 bis 1995 über die Rolle Belgrads bei den Kriegen in Bosnien und Kroatien vor dem IGH geheim gehalten habe. Das soll auch Mitschriften von Sitzung des Obersten Verteidigungsrates in Belgrad betreffen. Die Genehmigung zu dieser Geheimhaltung soll Serbien ausgerechnet von der Chefanklägerin des Haager Tribunals, Karla Del Ponte bekommen haben, schreibt die New York Times. Diese Darstellung hat nun, Geoffrey Nice, der ehemalige Chefankläger im Prozess gegen Slobodan Milosevic in einem offenen Brief an eine kroatische Tageszeitung bestätigt. Demnach habe Del Ponte im Mai 2003 dem damaligen jugoslawischen Außenminister Goran Svilanovic die Erlaubnis erteilt, streng geheime Dokumente teilweise unkenntlich zu machen, ehe sie dem Tribunal übergeben wurden. Außerdem hätten diese Dokumente nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Verfahren vor dem Tribunal verwendet werden dürfen. Diese Praxis habe Belgrad dann auch auf andere Dokumente ausgedehnt. Geoffrey Nice unterstreicht in seinem Brief, dass Del Ponte dieses Zugeständnis gegen seinen Willen und persönlich gemacht habe. Eine Stellungnahme von Karla Del Ponte liegt zu diesem Vorwurf noch nicht vor, und auch Goran Svilanovic schweigt. Denn bestätigt sich diese Darstellung, so könnte das für Serbien sehr unangenehme Folgen haben. Denn vor dem IGH ist noch die Klage Kroatiens gegen Serbien wegen Völkermordes anhängig. So hat Ministerpräsident Ivo Sanader den Brief von Nice als sehr ernste Sache bezeichnet, mit dem sich die UNO auseinander setzen müsse. Serbien könnte daher massiv unter Druck geraten, ungeschwärzte Dokumente herauszugeben. Außerdem könnte der IGH das Verfahren im Zusammenhang mit der Klage Bosniens wieder aufnehmen, sollten tatsächlich neue Beweise auftauchen.

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