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Beginn der Gespräche über Regierungsbildung

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Berichte Serbien
In Serbien ist vor mehr als zwei Monaten das Parlament neu gewählt worden. Doch die offiziellen Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung beginnen in Belgrad erst heute. Zusammentreffen werden zunächst Vertreter der beiden stärksten so genannten demokratischen Parteien. Es sind dies die DS von Staatspräsident Boris Tadic und die DSS von Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Ohne eine Koalition dieser zwei Kräfte ist die Bildung einer stabilen Reformregierung im serbischen Parlament nicht möglich. Doch der Weg dazu wird alles andere als leicht sein, berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor mehr als sechs Jahren prägen das so genannte demokratische Lager weltanschauliche Gegensätze und persönliche Animositäten. Sie haben bisher stets die Bildung einer stabilen, klar-reformorientierten Regierung verhindern. Diese Hindernisse gilt es auch dieses Mal zu überwinden, doch die Voraussetzungen dafür sind ungünstig. So heißt die Priorität der DS von Präsident Boris Tadic europäische Integration, während der Kosovo die Priorität des national-konservativen Regierungschefs Vojislav Kostunica ist. Diese unterschiedliche Schwerpunktsetzung ist umso gravierender, weil die Gespräche in Wien über den endgültigen Status dieser albanisch dominierten Provinz Mitte März zu ende gehen. Zwar lehnen beide Parteien die drohende Unabhängigkeit des Kosovo ab; doch bei der Frage, wie darauf zu reagieren ist, gegen die Vorstellungen weit auseinander. Tadic ist für eine gemäßigte Vorgangsweise; doch in Kostunicas Partei gibt es Stimmen, die die diplomatischen Beziehungen mit allen Ländern abbrechen wollen, die die Unabhängigkeit anerkennen. Der Gegensatz EU versus Kosovo wirkt sich auch auf die Haltung zum Haager Tribunal aus. Tadic ist für die kompromisslose, rasche Zusammenarbeit; Kostunica hat dagegen keine besonderen Anstrengungen gezeigt, und deswegen hat Brüssel Verhandlungen über eine Annäherung mit Serbien im Mai des Vorjahres ausgesetzt. Verknüpft sind diese unterschiedlichen Prioritäten auch mit personalpolitischen Fragen. Im Parlament ist Tadics DS mit 64 Mandaten zweitstärkste Kraft hinter den Ultranationalisten, mit denen niemand koalieren will. Kostunicas Vier-Parteienbündnis hat nur 47 Mandate. Trotzdem will Kostunica unter allen Umständen Ministerpräsident bleiben und beansprucht auch das Innenministerium für sich. Während die DS Kostunica akzeptieren könnte, ist ein Verzicht auf das Innenministerium und den Geheimdienstchef praktisch ausgeschlossen. Denn diese Ämter sind entscheidend bei der Suche nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic, der das politische Haupthindernis auf dem Weg Richtung EU darstellt. Erschwert wird die Aufteilung der Ressorts noch dadurch, dass Kostunica einen kleineren Koalitionspartner befriedigen muss und für die Regierungsbildung noch ein vierter Partner benötigt wird. Dieser soll die Wirtschaftspartei G17-Plus von Finanzminister Mladjan Dinkic sein, die 19 Sitze hat. Gemeinsam haben DS, DSS und G17-Plus 130 Mandate im 250 Sitze zählenden Parlament und damit die absolute Mehrheit. Um dieses Bündnis zu schmieden, sollen sich zunächst DS und DSS einigen, um in weiterer Folge die Ansprüche von G17-Plus zu befriedigen. Ob es tatsächlich zur Bildung dieser Regierung kommt ist offen, obwohl die Zeit drängt. Bereits Ende März endet das Budgetprovisorium und bis Mitte Mai muss die Regierung stehen, sonst muss neuerlich gewählt werden. Doch Neuwahlen will keine dieser Parteien und daher besteht eine die Chance, dass es doch zu einer Regierung kommt; ihre Effizienz könnte jedoch unter vielen faulen politischen Kompromissen beträchtlich leiden, die bei den Koalitionsgesprächen noch gefunden werden müssen.

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