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Pattstellung nach Wahl in Serbien

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Berichte Serbien
In Serbien ist gestern das Parlament neu gewählt worden. Dabei haben vier reformorientierten Parteien einen klaren Sieg errungen. Stärkste Kraft dieses Lagers ist die Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic. Sie konnte ihre Stimmen verdoppeln und erzielte 23 Prozent. Hinter ihr liegt die national-konservative Wahlkoalition von Ministerpräsident Vojislav Kostunica mit 17 Prozent. Die Fünf-Prozent-Hürde übersprangen noch Wirtschaftspartei G17-Plus, die Liberale Partei und die Milosevic-Sozialisten. Stärkste Einzelpartei wurden erneut die Ultranationalisten mit 29 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit mehr als 60 Prozent etwas höher als vor drei Jahren. Was dieses Ergebnis für Serbien bedeutet, darüber berichtet aus Belgrad unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Papierform nach haben die Wahlen in Serbien ein klares Resultat gebracht. Im 250 Sitze zählenden Parlament bleiben die Ultranationalisten mit 81 Mandaten stärkste Fraktion, doch ebenso wie vor drei Jahren ist mit den Milosevic-Sozialisten keine absolute Mehrheit in Sicht. Demgegenüber steht die klare Mehrheit der Reformkräfte. Die DS von Staatspräsident Boris Tadic, führt dieses Lager nun mit 65 Sitzen an. 46 Sitze hat eine Vier-Parteien-Koalition unter Führung der DSS von Ministerpräsident Vojislav Kostunica, gefolgt von der Wirtschaftspartei G17-Plus mit 19 Mandaten und den Liberalen mit 15 Sitzen. Doch die Liberalen sind bereit, die Unabhängigkeit des Kosovo zu akzeptieren; sie sind daher für Kostunica kein Partner, der die Löslösung der albanisch dominierten Provinz nicht hinnehmen will. Trotzdem hätten DS und DSS gemeinsam mit G17-Plus im Parlament die absolute Mehrheit. Doch Tadic und Kostunica haben sehr unterschiedliche politische Prioritäten. Dazu zählt der DS-Politiker Dragor Hiber:

„Die Fragen nach dem Tempo der pro-europäischen Politik oder nach der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Die Antwort auf diese grundlegenden Fragen wird auch klären, wer Regierungschef wird.“

Tadic will den Auftrag zur Regierungsbildung dem Wirtschaftsexperten seiner Partei, Bozidar Djelic, erteilen. Doch auch Vojislav Kostunica erhebt diesen Anspruch. Er hat außerdem eine Zusammenarbeit mit den Ultranationalisten nicht ausgeschlossen. Ihr steht aber nicht nur der Widerstand des Westens entgegen, betont der Politologe Zoran Lucic:

„Kostunicas Wähler akzeptieren die Ultranationalisten nicht als nahe stehende Partei, sondern sehen die DS als viel näher stehend an. Das heißt aber nicht, dass die politische Führung das tut, was ihre Wähler erwarten. Trotzdem glaube, ich dass man in der DSS sehr stark Rücksicht auf die eigenen Wähler nehmen wird.“

Doch selbst eine derartige Rücksichtnahme ändert nichts daran, dass die Regierungsbildung schwierig werden dürfte, gilt es nicht zuletzt Ministerposten neu zu verteilen und persönliche Animositäten zu überwinden. Dafür haben die Parteien vier Monate Zeit; verstreicht die Frist wird neuerlich gewählt. Ob es dazu kommt ist offen. Denn die Wahlen haben vor allem eine Kräfteverschiebung innerhalb des Reformlagers aber keinen entscheidenden Sieg der pro-europäischen Kräfte gebracht. Mit dem Krebsübel der politischen Instabilität und einem starken ultranationalistischen Lager wird Serbien daher auch nach der gestrigen Wahl weiter leben müssen.

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