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Wo steht Serbien vor der Wahl

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Berichte Serbien
In Serbien wird morgen das Parlament neu gewählt. Um die Stimmen der 6,6 Millionen Wahlberechtigten bewerben sich 20 Parteien, darunter sechs Parteien nationaler Minderheiten. Für sie gilt die Fünf-Prozent Hürde nicht. Diese Hürde werden nach Umfragen maximal sechs serbische Parteien überspringen. Drei sind pro-europäisch und zwei sind Vertreter des ehemaligen Regimes von Slobodan Milosevic. Zwischen beiden Gruppen steht die national-konservative Koalition von Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Die stärksten Emotionen im Wahlkampf ausgelöst haben die Frage der Annäherung an die EU und die Zukunft des Kosovo. Dominiert haben aber wirtschaftliche und soziale Themen. In Belgrad ist unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz der Frage nachgegangen, wo Serbien mit seinen Reformen heute steht. Hier sein Bericht:

In Serbien ist seit Donnerstag 24 Uhr der Wahlkampf gesetzlich verboten. Trotzdem versucht die Regierung, weiter für sich Stimmung zu machen; das zeigt der Umstand, dass seit heute Benzin und Diesel billiger sind. Ein Liter Super kostet nun umgerechnet 91 Cent, statt bisher 97 Cent; der Preis für Euro-Diesel sank von 87 auf 81 Cent. Treibstoff ist somit nur geringfügig billiger als in Österreich, während der offizielle Durchschnittslohn bei 300 Euro netto im Monat liegt. Daher spielten im Wahlkampf soziale und wirtschaftliche Themen eine große Rolle. Wie weit Serbien zurückliegt, zeigt ein Vergleich mit Slowenien. Es ist vier Mal kleiner hat aber im Vorjahr drei Mal mehr exportiert als Serben. Hinzu kommen ein enormes Handelsbilanzdefizit und eine Arbeitslosigkeit von fast 30 Prozent. Doch Serbien hat noch viel mehr Probleme, erläutert in Belgrad der Wirtschaftsexperte Juri Baejc:

„Versäumnisse hat die Regierung vor allem bei der Privatisierung öffentlicher Betriebe und bei der Umstrukturierung von Unternehmen aufzuweisen, die früher gesellschaftliches Eigentum waren. In diesem Sektor sind noch immer viele Personen fiktiv in Betrieben beschäftigt, die kaum arbeiten, vom Staat aber mit viel Geld subventioniert werden. Hinzu kommt, dass auch die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal nicht abgeschlossen ist. Das hat indirekt wirtschaftliche Folgen, weil deswegen die Verhandlungen mit der EU auf Eis liegen. Das hat generell das Reformtempo gebremst.“

Doch die Regierung hat auch Erfolge vorzuweisen. Die Inflationsrate ist nur mehr einstellig und die Währungsreserven sind hoch. Mit der neuen Verfassung wurde das gesellschaftliche Eigentum beseitigt, und ausländische Investoren können nun Eigentum an Grund und Boden erwerben und nicht nur Nutzungerechte besitzen. Seit 2001 ist die Wirtschaft im Durchschnitt um 5,5 Prozent gewachsen, und Privatisierungen und Investitionen stiegen im Vorjahr auf vier Milliarden US-Dollar. Doch der Finanzbedarf Serbiens, von der Infrastruktur bis zur Verwaltung, bleibt mittelfristig sehr hoch, betont der Wirtschaftsexperte Juri Baejc:

„Serben braucht pro Jahr ausländische Direktinvestitionen von etwa drei Milliarden Dollar. Im Vorjahr war das kein Problem, weil wir den zweiten Mobilfunkanbieter privatisiert haben; dieser Wert wird auch durch den Verkauf des Erdölkonzerns oder durch die Privatisierung der E-Wirtschaft zu erreichen sein, doch was dann? Serbien braucht daher viele kleine Investitionen auf die grüne Wiese, die allein neue Arbeitsplätze schaffen. Doch derartige Investitionen sind sehr gering, weil es der Regierung nicht gelungen ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen; das wird eine der großen Aufgaben der nächsten Regierung sein.“

Doch um diese Aufgaben zu lösen, braucht Serbien vor allem eine stabile Regierung. Ob sie nach der Wahl zum ersten Mal zustande kommt, ist offen. Die Gegensätze zwischen den reformorientierten Parteien sind nach wie vor groß und die politische Instabilität zählt zu den Krebsübeln, die Serbien bisher nicht zu beseitigen vermocht hat.

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