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Wie löst man einen Staatenbund auf und wird unabhängig?

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Berichte Serbien
Wie löst man einen Staatenbund auf? Diese Fragestellt sich derzeit für die Konföderation, die Serbien und Montenegro drei Jahre lang gebildet haben. Klar ist, dass nach dem Sieg der Unabhängigkeitsbefürworter beim Referendum vor einer Woche Montenegro und damit auch Serbien unabhängige Staaten werden. Doch wie ist die zivile Scheidung nun zu vollziehen, was gehört wem aus dem gemeinsamen Haushalt und wie können die Kinder, sprich die Bürger, am wenigsten unter dieser Trennung leiden? Mit diesen Problemen befasst sich von serbischer Seite auch Dragor Hiber. Hiber ist Professor an der Juridischen Fakultät der Universität Belgrad und Abgeordneter der Demokratischen Partei im serbischen Parlament. Als Fachmann war er an der Ausarbeitung des Verfassungsdokuments beteiligt, das die rechtliche Basis des Staatenbundes Serbien-Montenegro gebildet hat. Mit Dragor Hiber hat in Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen. Hier sein Bericht:

Die Auflösung des Staatenbundes Serbien-Montenegro ist in seinem Verfassungsdokument nicht klar geregelt. Fest steht nur, dass Serbien Rechtsnachfolger ist und damit Mitglied in allen internationalen Organisationen wie etwa der UNO bleibt. Montenegro muss dagegen völkerrechtlich von der Staatenwelt anerkannt werden, und um Aufnahme in die UNO ansuchen. Zuvor muss aber der bisherige Staatenbund aufgelöst werden. Als entscheidenden Schritt dazu betrachtet der Jurist Dragor Hiber die Unabhängigkeitserklärung, die Montenegro in den kommenden Wochen abgeben wird. Dragor Hiber:

„Mit dieser Unabhängigkeitserklärung endet die rechtliche Existenz des Staatenbundes und seiner Organe. Die gute Praxis sieht jedoch vor, dass diese Organe noch eine letzte Sitzung abhalten, bei der Bilanz gezogen wird. Anschließend ist die gesamte weitere Auflösung eine Frage der Vereinbarung zwischen den beiden ehemaligen Mitgliedern des Staatenbundes.“

Erster Schritt wird die Teilung der Streitkräfte sein; sie ist am leichtesten durchzuführen, weil die Finanzierung bereits weitgehend getrennt erfolgt, und auch Rekruten nur mehr in Serbien oder Montenegro ihren Grundwehrdienst abgeleistet haben. Etwa 3.500 Soldaten dienen in Montenegro, das nun ein Verteidigungsministerium aufzubauen und in der Verfassung zu regeln hat, wer Oberkommandierender ist. In Serbien übt diese Funktion nach der Verfassung der Präsident aus, während das Verteidigungsministerium des Staatenbundes einfach übernommen wird. Kaum Probleme erwartet Dragor Hiber auch bei anderen Fragen:

„Zu regeln sind Fragen des Eigentums, des Vermögens und der Schulden; doch dabei erwarte ich keine großen Probleme, angesichts der Regeln des Verfassungsvertrages; außerdem bestehen Verfahrensgrundlagen über den Umgang mit Eigentumsrechten, die seit dem Wiener Vertrag über die Auflösung des alten Jugoslawien festgeschrieben sind. Das wäre es im Wesentlichen; doch wenn die beiden Staaten weise sind, werden sie in Verträgen auch eine Reihe von Fragen regeln, die sich nicht nur auf die Rechte der Staaten, sondern auch der Staatsbürger beziehen.“

Gerade die Rechtsstellung der Staatsbürger wird wohl am schwierigsten zu regeln sein; dabei geht es nicht nur um die Frage, ob etwa eine Doppelstaatsbürgerschaft möglich sein wird, sondern auch ums Geld. Welcher Staat zahlt für wen Pensionen, wie hoch werden die Kosten für den Aufenthalt in serbischen Krankenhäusern und vor allem wie hoch werden die künftigen Studiengebühren sein. Etwa 10.000 Montenegriner studieren in Serbien; bisher waren sie serbischen Studenten weitgehend gleichgestellt. Das dürfte sich nun ändern, so Dragor Hiber:

„Serbien ist nicht so reich, um Grund und Motivation dafür zu haben, aus seinem Budget Studenten aus dem Ausland zu finanzieren. Möglich ist eine bestimmte Anzahl an Stipendien, die bestimmt Kosten abdecken, und die Staaten wie Montenegro gewährt werden. Eine andere Sache ist jedoch ein Automatismus und der Status heimischer Staatsbürger; dafür fehlt das Geld. Die Zahl der Studenten, die aus dem Budget finanziert werden, geht von Jahr zu Jahr zurück; immer mehr sind gezwungen, Studiengebühren zu bezahlen. Ich sehe daher darin keine Diskriminierung, sondern eine natürliche und vernünftige Entwicklung.“

Generell erwartet Dragor Hiber, dass sich die Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro nach einer Übergangsphase sehr gut entwickeln werden. Zu eng seien einfach die historischen und persönlichen Bindungen. Hiber verweist dabei auf die Aussagen von Präsident Boris Tadic, der als erster serbischer Politiker am Wochenende Montenegro nach dem Referendum besucht hat. Dragor Hiber:

„Diese drei Formulierungen und Tatsachen, die Boris Tadic ausdrückte als er sagte: ein glückliches Montenegro, es lebe Serbien und Freundschaft zwischen den beiden Staaten sind die richtige Antwort auf den Zerfall des früheren Staatenbundes.“

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