× Logo Mobil

Reprotage aus Milosevics Heimatstadt Pozarevac

Radio
MiJ
Berichte Serbien
Unter einer hundertjährigen Linde wird heute Slobodan Milosevic in seiner Villa in seiner Geburtsstadt Pozarevac beigesetzt. Erzählungen zufolge soll Milosevic unter diesem Baum seine spätere Ehrfrau Mira Markovic zum ersten Mal geküsst haben. Auch Mira stammt aus der ostserbischen Stadt, die etwa 50.000 Einwohner zählt. Die Stadt leidet wie so viele Provinzstädte Serbiens am Fehlen einer regionalen Entwicklungsstrategie. Trotzdem ist das Potential dieser landwirtschaftlich geprägten Region beachtlich, und auch die Verbindungen mit Österreich sind intensiver als der Geburtsort von Slobodan Milosevic auf den ersten Blick vermuten lässt. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz ist in Pozarevac und hat folgende Reportage über Milosevics Geburtsort gestaltet:

Pozarevac liegt eine Autostunde südöstlich von Belgrad: Die Stadt macht einen eher verfallen Eindruck. Abgesehen vom Gemeindrat bröckelt nicht nur an den meisten historischen Bauten der Verputz. Das gilt auch für das Museum, das die Geschichte der Stadt, beginnend mit der Römerzeit dokumentiert. Ungepflegt und vor allem muffig, wie Geschichte nicht sein soll, wirken die Exponate unter einer eher schummrigen Beleuchtung. Eine Vitrine dokumentiert die Sternstunde der Stadt. Im Jahre 1718 schlossen in Pozarevac das Osmanische Reich und der Habsburger Karl VI den Frieden von Passarowitz. 21 Jahre regierten die Habsburger die Stadt, ehe das Gebiet wieder an die Türken verloren ging. Die engen zwischenmenschlichen Kontakte mit Österreich dokumentiert dagegen die Autobusstation. Jeden Tag fährt ein Autobus von Pozarevac nach Wien. Eine Karte für hin und zurück kostet 70 Euro, wobei die Fahrt 12 Stunden dauert. Vor allem Gastarbeiter sind unterwegs, sagt der Bürgermeister von Pozarevac, Dusan Vujicic

„Es kommt auch viel Hilfe aus dem Ausland, denn aus dieser Region arbeiten mehr als 40.000 Gastarbeiter im Ausland, vor allem in Österreich aber auch in Deutschland und Italien.“

Allein aus der Gemeinde Pozarevac arbeitet fast jeder Vierte im Ausland. Daheim sind die Perspektiven gering und die Altlasten groß. Dazu zählt das Vergnügungszentrum Bambypark; bei seiner Eröffnung trat auch Eigentümer, Sohn Marko Milosevic, öffentlich auf. Nun betreibt ihn eine lokale Firma, doch sein Reiz ist geschwunden, und nicht nur im Winter wirkt das Gelände öde. Die Stagnation symbolisiert auch eine verfallene Bäckerei im Stadtzentrum. Sie gehörte Marko und fiel im Oktober 2000 dem Volkszorn zum Opfer. Sechs Jahre später sieht das Lokal noch immer gleich aus, die Fenster sind eingeschlagen, beschmiert und verbarrikadiert. Gleich wie vor der Revolution sind wieder die Machtverhältnisse; seit 2004 ist der Burgermeister wieder ein Milosevics-Sozialist, der mit den Ultranationalisten regiert. Vergessen werden die Probleme der Ära Milosevic; so sagt Sonja Eremic

„Unter Milosevic haben wir wunderbar gelebt. Sogar als jene Hyperinflation herrschte, die man ihm angelastet hat, hatten wir alle die harte Deutsche Mark und so konnten wir uns zu recht finden und leben. Jetzt hat man keine Chance zum Leben.“

Sonja Eremic war Lehrerin; sie hat eine Pension von 150 Euro im Monat. Slobodan Milosevic kennt sie seit der Kindheit:

„Ich bin schrecklich traurig; er war für mich wie ein Bruder. Ich weiß nicht, wie ich das überleben soll. Das Volk ist sauer auf diese Regierung und auf alles. Es ist einfach sauer.“

Wie viele andere Serben ist Sonja Eremic überzeugt, dass Milosevic vom Haager Tribunal ermordet wurde:

„Man hat ihn ermordet, weil man ihm nichts nachweisen konnte; in einigen Wochen hätte der Prozess beendet sein sollen, ein Schuld konnten sie nicht finden, sie hätten ihn nicht verurteilen können, daher haben sie sich entschlossen ihn zu ermorden. Ihn haben das Haager Tribunal und die CIA ermordet.“

Ihr Idol wird heute im Garten seiner Villa unter einer Linde beigesetzt Verschwörungstheorien aller Art werden jedoch in Serbien und am Balkan leider ebenso weiter leben wie das schwere Erbe, das Slobodan Milosevic hinterlassen hat.

Facebook Facebook