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Milosevic, die Serben und das Haager Tribunal

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Berichte Serbien
Mit einem „Letzen Gruß an Haager Mitkämpfer Milosevic“ haben sich heute Mithäftlinge von Slobodan Milosevic in einer Pate verabschiedet, die in der serbischen Tageszeitung „Politika“ veröffentlicht wurde. Unterzeichnet haben 33 mutmaßliche Kriegsverbrecher, darunter auch der kroatische General Ante Gotovina. Während offensichtlich das gemeinsame Häftlingsschicksal in Den Haag aussöhnend wirkt, polarisieren Haager Tribunal und die Frage des Begräbnisses die Serben. Sohn Marko Milosevic übernimmt heute in Den Haag die Leiche seines Vaters, doch ein Begräbnis in Belgrad ist nun wieder unwahrscheinlicher geworden. So sagte Marko Milosevic vor seinem Abflug aus Moskau, die serbischen Behörden wollte die Bestattung in Belgrad verhindern. Eine vorläufige Bestattung in Moskau sei daher nicht zu vermeiden. Welche politische Bedeutung diese Frage in Serbien hat und wie die Bevölkerung zum Haager Tribunal steht, darüber hat Christian Wehrschütz den folgenden Beitrag gestaltet:

Die Einstellung der Serben zum Haager Tribunal ist über die Jahre weitgehend stabil. Bis zu jeweils 25 Prozent sind entweder strikt gegen oder eindeutig für eine Zusammenarbeit. Etwa 40 Prozent sehen nach Meinungsumfragen im Tribunal ein notwendiges Übel, mit dem zusammengearbeitet werden muss, um Sanktionen zu vermeiden. Diese Grundpositionen haben der Selbstmord eines Häftlings und die Spekulationen über den Tod von Slobodan Milosevic kaum verändert. Gewachsen ist aber die generelle Skepsis, wie der Belgrader Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic betont:

„Es gibt einfach niemanden, der mit dem Haager Tribunal zufrieden ist. Jene, die gegen das Tribunal sind, lehnen es ab, unabhängig davon was geschieht; die Gruppe, die aus reiner Zweckmäßigkeit für die Zusammenarbeit ist, hat nun zusätzliche Argumente gegen das Tribunal in der Hand; schließlich sind auch die unzufrieden, die für das Tribunal sind, weil sie fragen, warum können Verfahren derart lange dauern.“

Nach Angaben von Bogosalvjevic hat jeder fünfte Serbe von Slobodan Milosevic eine gute Meinung. Das sei weniger als vor der Auslieferung im Jahre 2001. Die Möglichkeit, aus Milosevic einen Mythos zu machen, beurteilt der Meinungsforscher skeptisch, auch wegen der Sozialstruktur seiner Anhänger. Sie seien eher politisch inaktiv und alt; außerdem sei Ablehnung von Milosevic unter den Serben nach wie vor sehr stark. Trotzdem könnte vor allem die ultranationalistische Radikale Partei versuchen, aus Milosevics Tod Kapital zu schlagen. Zum Kampf um ehemalige Milosevic-Wähler nutzen die Radikalen dabei die Debatte über Ort und Art des Begräbnisses. Dazu sagt Bogosavljevic:

„Für das Ausnutzen von Milosevics Tod ist der Prozess wichtiger als die Tatsache selbst. Das heißt, es viel wichtiger, dass über sein Begräbnis diskutiert wird. Denn was immer die Regierung genehmigt oder nicht, wird die Opposition kritisieren. Wenn die Regierung ein Begräbnis in Belgrad genehmigt, werden die Radikalen eine Ehrengarde fordern; wird das Begräbnis verweigert, dann wird die Zulassung verlangt. Je länger die Debatte dauert, desto mehr werden das die Radikalen für sich nützen können.“

Den Radikalen zugute kommt dabei auch das geistige Klima, dass sich in den zwei Jahren, die Vojislav Kostunica nun Ministerpräsident ist, drastisch gewandelt hat. Am klarsten zeige sich das beim Umgang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern:

„Jeden, den wir ausliefern, erklären wir zum Helden. Er wird von einer staatlichen Delegation mit Privatflugzeug nach Den Haag gebracht und wieder abgeholt. Auf diese Weise wird in Serbien das Wertesystem, wenn nicht zerstört, so doch erschüttert. Denn wenn diese Leute wirklich Helden sind, ist es nicht normal, dass sie ausgeliefert werden. Doch wenn Zweifel bestehen, besteht kein Grund, sie zu Helden zu erklären, so lange sie sich nicht verteidigt haben.“

Trotzdem rechnet der Meinungsforscher nicht mit Problemen, sollte Ratko Mladic an das Tribunal demnächst ausgeliefert werden. Denn nach wie vor sei sich die große Mehrheit der Serben bewusst, dass ohne Auslieferung der Weg Richtung EU nicht gangbar sei.

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