Interview mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic
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Berichte Serbien
Der ehemalige General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, lebte uch nach dem Sturz von Slobodan Milosevic im Oktober 2000 noch unbehelligt in Belgrad. Geschützt wurde er von den Streitkräften. Seine Spur verliert sich Mitte 2002. Knapp ein Jahr später wurde Boris Tadic Verteidigungsminister. Die Suche nach Mladic zählte daher zu den Prioritäten des nunmehrigen Präsidenten. Diese Fahndung beschreibt Boris Tadic so:
„Etwa 95 Prozent aller Daten, die heute über Ratko Mladic bekannt, wurden identifiziert als ich Verteidigungsminister war. Das betrifft gerade jene Zeit als Mladic militärische Objekte verließ und sich auf zivilem Territorium zu verstecken begann. Für uns war es immer ein Problem herauszufinden, wo sich Ratko Mladic dann aufgehalten hat, und das ist unserer Polizei und unseren Geheimdiensten bis heute nicht gelungen.“
Doch die Geduld des Haager Tribunals und der EU ist erschöpft. Knapp vier Wochen hat die Regierung Zeit, um durch die Auslieferung eine Aussetzung der Gespräche mit Brüssel zu verhindern. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt und daher sagt Tadic:
„Die serbische Regierung versichert mir ständig, dass sie diese Frist einhalten wird. Ich will es glauben und ich hoffe, dass das geschieht. Wenn nicht, dann haben wir alle ein Problem. In diesem Sinne bin ich Optimist.“
Weit weniger optimistisch sieht Tadic die Zukunft des Kosovo. In Wien haben die Gespräche über seinen endgültigen Status zwar erst begonnen, doch die Unabhängigkeit zeichnet sich ab. Daher warnt der serbische Präsident:
„Wenn es dazu kommt, werden die nationalistischen Kräfte wachsen, dann werden wir den so genannten falschen Patriotismus auf den Straßen haben. Das destabilisiert nicht nur Serbien, sondern den gesamten Balkan, und das nützt niemandem.“
Gleichzeitig warnt Tadic vor einseitigen Schuldzuweisungen:
„Im Kosovo hat es viel früher bereits viele Verbrechen gegeben, da ist niemand unschuldig. Das vereinfachende Bild, wonach nur die einen gut und die anderen böse sind, führt uns nicht zur Lösung des Status. Im Kosovo kämpfen die Albaner heute um die Unabhängigkeit, die Serben aber kämpfen ums Überleben. Das ist die Realität, der sich die Welt und Österreich bewusst sein müssen.“
Doch Realität ist auch, dass es über alle Gräber und Gräben hinweg zu einer Aussöhnung kommen muss. Dessen ist sich auch Boris Tadic bewusst:
„Wenn im Kosovo ein Albaner ein vierjähriges Kind ermordet hat, nur weil es ein Serbe war, dann sage ich als Präsident, dass wenn wir dieses Opfer ehren, sagen müssen, dass jemand auch in serbischem Namen albanische Kinder ermordet hat. Das ist eine Art und Weise, die Wahrheit zu sagen, und das ist die einzige Art und Weise, zwischen beiden Völkern neue Brücken zu bauen.“
Um diese Brücken bauen zu können, braucht Serbien die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union. Daher warnt Tadic jene EU-Mitglieder, die einer Erweiterung skeptisch gegenüber stehen:
„Die Integration in die EU und in die euro-atlantische Gemeinschaft hat eine besondere Bedeutung für den Balkan. Daher kann jedes Stoppen dieses Prozesses destruktive Folgen für die gesamte Region und für jedes einzelne Land haben.“